Blutgeld
dann nur deswegen, weil sie Angst davor habe, was Hammud ihr antun könnte. Beim Reden bemerkte Sam, dass Inspektor Williams ein kleines Notizbuch hervorgeholt hatte und anfing, sich Notizen zu machen. «Und warum sollte sie vor ihm Angst haben, Sir?», fragte der Polizist in unschuldigem Ton.
«Weil er ein Killer ist.»
Das schrieb Inspektor Williams nicht auf. Er sah Sam über den Rand seiner Brille an. «Das ist eine ziemlich ernste Beschuldigung, Sir. Ich fürchte, Sie werden irgendwelche Beweise brauchen, um das zu untermauern.»
«Hören Sie, lassen Sie mich das erklären. Hammud ist hinter Miss Alwan her, weil er glaubt, sie wisse, wo eine Menge Geld geblieben ist.»
«Nun, das ist genau das, was ich meine, Sir. Ich stimme Ihnen zu. Das ist der Grund, warum Mr. Hammud so besorgt ist. Er sagt, Miss Alwan habe einige vertrauliche Akten entwendet, die genau genommen nicht ihr Eigentum waren.»
«Aber die irren sich. Sie weiß überhaupt nichts. Sie hat bloß Angst. Sie wird gejagt. Sie glaubt, jemand will sie umbringen. Deswegen ist sie weggelaufen. Haben Sie eine Vorstellung, um wie viel Geld es hier geht?»
«Wie viel wird das wohl sein?» Sein Stift war gezückt. Hoffman erkannte, dass er sich verplappert hatte. Er war auf dem besten Weg, als Komplize in dem grotesken Verfahren zu erscheinen, das man gegen Lina einleitete.
«Ich weiß nicht. Eine Menge.»
Danach versuchte Sam, vorsichtiger zu sein. Der Polizist wollte wissen, wann Sam zum letzten Mal mit Lina gesprochen hatte, und er antwortete, es sei gestern Nachmittag gewesen, gegen zwei. Er habe versucht, mit ihr ein Treffen zu vereinbaren, aber das habe sie abgelehnt. Er habe keine Ahnung, wo sie jetzt sei, und wenn Scotland Yard es herausbekäme, hoffe er, benachrichtigt zu werden. Inspektor Williams wollte Sam noch mehr Fragen darüber stellen, in welchem Verhältnis er zu Lina stand, aber Sam weigerte sich, noch irgendetwas zu sagen, bevor er nicht mit seinem Anwalt gesprochen hatte. An dieser Stelle schloss der Inspektor sein kleines ledernes Notizbuch. Er überreichte Hoffman eine Karte. Hoffman begleitete ihn zur Tür.
Nachdem der Beamte gegangen war, fühlte sich Hoffman noch niedergeschlagener als zuvor. Vom ersten Augenblick an, als der philippinische Koch vor seiner Tür gestanden hatte, bis zum gegenwärtigen war seine Begegnung mit Nassir Hammud eine einzige Katastrophe gewesen. Er zog aus seiner Schreibtischschublade das einzige konkrete Beweisstück, das er hatte beschaffen können – ein leeres Blatt Papier mit Firmenkopf –, und erkannte, dass er nicht einmal wusste, was das bedeutete. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, Oscar Tradings Telefonnummer in Tunis anzurufen. Er war die ganze Zeit schlafgewandelt. Als eine Art Buße nahm er den Hörer in die Hand und wählte die Nummer, die auf dem Blatt stand: 216-1-718-075. Nach dem dritten Klingeln meldete sich jemand, der amerikanisch sprach und das weiche Südstaaten-Näseln hatte.
«Hallo. Kann ich Ihnen helfen?»
«Wer ist da?», fragte Hoffman.
«Kann ich Ihnen helfen?», wiederholte die Stimme. Es war ein Mann, wahrscheinlich in Hoffmans Alter. In seiner Stimme lag so etwas wie Erwartung, als warte er darauf, dass Hoffman die richtige Antwort gab.
«Was ist das für eine Nummer?», fragte Hoffman. «Mit wem bin ich verbunden?»
Die Leitung wurde unterbrochen. Der Mann in Tunis hatte aufgelegt. Hoffman probierte es sofort nochmal, aber jetzt war die Leitung besetzt und blieb es für den größten Teil der nächsten Stunde. Als Hoffman wieder durchkam, lief das gleiche Spiel ab.
«Hallo», sagte die Südstaatenstimme. «Kann ich Ihnen helfen?»
«Ich rufe wegen Oscar Trading an», sagte Hoffman diesmal.
«Einen Moment», sagte die Stimme und legte das Gespräch auf die Warteleitung. Es entstand eine Pause, die etwa eine Minute dauerte. Während Hoffman wartete, fiel ihm ein, dass jemand versuchen könnte, den Anruf zu verfolgen. Schließlich meldete sich der Mann wieder.
«Tut mir leid», sagte er. «Ich kann Ihnen leider nicht helfen. Es gibt hier niemand namens Oscar Trading.»
«Welche Nummer haben Sie denn?», fragte Hoffman. Die Leitung war wieder tot. Als Hoffman es ein paar Minuten später noch einmal probierte, meldete sich das tunesische Amt und sagte, der Anschluss sei nicht mehr in Betrieb.
Während Hoffman sich diesen seltsamen Vorfall durch den Kopf gehen ließ, erinnerte er sich schwach an eine Begebenheit aus seiner Kindheit. Sein Vater
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