Blutgeld
hatte zu Hause in Beirut eine Telefonnummer neben dem Telefon gelassen, die nur in Notfällen benutzt werden sollte. Eines Tages hatte Sam Hoffman, als kleiner Junge in Beirut, die Nummer gewählt. Eine glatte, selbstsichere Männerstimme hatte sich genau auf die gleiche Weise gemeldet: «Hallo, kann ich Ihnen helfen?» Und dann, als der junge Sam Hoffman nicht die richtige Antwort gab, hatte er aufgelegt.
An diesem Nachmittag beschloss Hoffman, dass er Verstärkung brauche. Er spielte in der Liga der Täuschung, ohne das Wesen dieses Spiels zu verstehen. Nachdem er einige Minuten lang über das Problem nachgedacht hatte, rief er einen palästinensischen Bekannten namens Ali Mattar an, der schlicht und einfach der vollendetste Lügner war, der ihm jemals begegnet war.
Ali Mattar war in einem Flüchtlingslager bei Tyrus im Südlibanon aufgewachsen. Wie ein levantinischer Oliver Twist war es ihm gelungen, sich mit Charme und Überredungskunst aus den Lagern herauszuwinden und sich in ein halbanständiges Leben zu begeben, indem er Informationen an ein halbes Dutzend Geheimdienste lieferte, die zu verschiedenen Zeitpunkten einen Teil von ihm besessen hatten. In einem magischen Augenblick Anfang der achtziger Jahre hatte er gleichzeitig Syrien, Israel, die PLO und den Iran mit Informationen beliefert. Er kam damit durch, weil angenommen wurde, dass er im Grunde die ganze Zeit für die USA arbeitete. Was er in gewisser Weise auch tat.
In Wirklichkeit arbeitete Ali jedoch für sich selbst. Dieser wesentliche Egoismus war sein Schutz gewesen. Als junger Mann war er nach Beirut gekommen und hatte bei der amerikanischen Botschaft einen Job als Fahrer bekommen. Nach ein paar Jahren hatte er gekündigt und ein Reisebüro aufgemacht, wobei er tief in seinem Herzen wusste, dass die freundlichen Amerikaner, die ihm Arbeit verschafften, Geheimdienstoffiziere sein mussten (obwohl er später versicherte, er habe nie etwas Derartiges vermutet). Ali wusste, was er tat. Er war auf dem Sprung. Damals standen die Vereinigten Staaten für den einzigen Weg aus dem Land raus.
Ali wurde Ende der sechziger Jahre rekrutiert, wenn man das so bezeichnen kann, und losgeschickt, um in den palästinensischen Untergrund einzudringen. Was ihm auf bewundernswerte Weise gelang, obwohl er wahrscheinlich auch von den Palästinensern rekrutiert wurde, um die CIA zu unterwandern. Wer konnte schon sagen, wo in der geheimen Kammer seines Herzens seine wahre Loyalität lag, außer er selbst? Jetzt lebte Ali im Wohlstand in Paris und bewegte sich an den grauen Randzonen der Geheimdienstwelt; er handelte gelegentlich mit den Informationsschnipseln, die ihm zufielen. Sam Hoffman war ein eifriger Käufer der Informationen über die arabischen Geschäfte gewesen. Was ihm an Ali Mattar so besonders gefiel, war, dass er wirklich Dinge wusste. Er erfand sie nicht. Es war Sam peinlich, dass seine Begegnung mit Ali Mattar, wie bei so vielen anderen Quellen, durch seinen Vater zustande gekommen war.
«Ich brauche Hilfe, Ali», gestand Hoffman, als er an diesem Nachmittag Mattar in Paris erreichte. Er hasste es, über die Grenzen hinweg am Telefon Geschäftliches zu besprechen, aber unter diesen Umständen hatte er keine andere Wahl. «Ein paar Tage Arbeit. Ansehnlicher Vorschuss. Alle Spesen bezahlt.»
«Worum geht es,
habibi
?»
«Den Irak.»
«
W’Allah
! Mein Gott, Sam. Ich kann einfach nicht glauben, dass der Herrscher tot ist, nach so vielen Jahren. Das war vielleicht ein Schock für mich. Also, was willst du wissen?»
«Etwas über sein Geld.»
«Ein heißes Thema, mein Freund. Ich glaube, jeder fragt mich zur Zeit danach. Du bist der Dritte, der mich heute anruft. Sehr heißes Thema. Wie viel zahlst du mir?» Er lachte. Sein Lachen bedeutete, dass es teuer sein würde.
«Zweitausend pro Tag. Plus Spesen. Ich brauche gutes Material, gut genug, um mich damit an die Behörden wenden zu können.»
«Tut mir leid. Das kann ich nicht tun, nicht einmal für dich, Sam. Das wäre ein Almosen. Andere Leute, du weißt schon, wer, zahlen das Fünffache für das, was ich weiß. Vielleicht sogar das Zehnfache.»
«Okay, dreitausend pro Tag. Mehr kann ich mir nicht leisten. Aber es ist nicht schlecht für ein paar Stunden Arbeit.»
«Erst vor einer Stunde habe ich ein Angebot von fünftausend bekommen, von dem Mann mit dem Schnitt in der Nase, du weißt, wen ich meine. Was soll ich machen? Ich muss auch leben.»
Hoffman seufzte. Er mochte Ali, aber das
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