Blutgesang (Nighthunter 2) Ein Vampir-Roman (German Edition)
nicht mehr als Anwalt arbeitete, spekulierte an der Börse und studierte die Kurse, als ein Gentleman den plüschigen Raum betrat und vor einer Bücherwand aus Mahagoni verhielt, wo ihm der Butler Cut und Bowler abnahm. Den Gehstock behielt er bei sich. Seine Augen waren durch eine runde Brille mit blauen Gläsern geschützt, ebenso wie Frederics.
Sie erkannten sich sofort.
Morgos Daargon nickte und kam zu Frederic, der die Zeitung zusammenfaltete und auf den Beistelltisch legte.
»Darf ich mich zu Ihnen setzen, Sir?«
Der Butler fragte nach einem Getränk, aber beide Vampire winkten ab. Das, was sie tranken, wurde hier nicht serviert.
Daargon setzte sich schräg gegenüber von Frederic in einen gemütlichen Ledersessel und schlug die Beine übereinander. Seine Hosen waren messerscharf gebügelt, seine Jacke schien federleicht und teuer, das Hemd und der Binder waren makellos. Daargon war unzweifelhaft eine elegante Erscheinung.
»Ich habe auf dich gewartet«, sagte Daargon. »Man sagte mir, dass du hier verkehrst, Bruder.«
»Du hast versprochen, dass wir uns wieder sehen.«
»Ja, ich brauchte einige Zeit, um mich zu etablieren, doch nun ist es an der Zeit, einiges in Erfahrung zu bringen.«
Frederic schwieg.
»Warum wolltest du mich töten?« Daargons Gesicht wirkte ausdruckslos. »Und warum schickst du dafür drei simple Lebewesen, die nicht den Hauch einer Chance hatten?«
Frederic suchte nach einer Antwort.
Ein schmales Lächeln huschte über Daargons Lippen. »Man sagt, eine Gruppe Vampirjäger hätte vor nicht allzu langer Zeit gewütet und ich vermute, ich weiß, um wen es sich handelt. Ihr habt meinen Sarg gestohlen, nicht wahr?«
»Und wenn es so wäre?«
»Wenn es so wäre, möchte ich wissen, warum sich ein Bruder gegen seine eigenen Leute stellt. Erst dann, mein Freund, werde ich dich töten.«
»Wer weiß von uns?«
»Nicht viele und es sind nur Gerüchte. Aber ich habe stets auf Gerüchte gehört, denn sie beherbergen meistens einen Funken Wahrheit. Außerdem kann ich eins und eins zusammenrechnen.«
»Eine wirkliche Denksportaufgabe war das nicht, Daargon.«
»Nein, war es nicht, um ehrlich zu sein. Aber wie unser gemeinsamer Freund Will schon sagte: Ich schlage beide Welten in die Schanze. Mag kommen, was da kommt! Nur Rache will ich!«
»Hamlet.«
»Ja, Frederic. Hamlet. Laertes wurde von Hamlet besiegt …«
»Bevor dieser selbst starb.«
»Wills Fehler. Nicht immer ist am Ende alles Schweigen. Ich weiß, wovon ich rede.«
Frederic kniff die Augen hinter der Brille zusammen. »Ich vermute, du willst hier keinen Skandal.«
»Ich will eine Antwort auf meine Frage.«
»Einverstanden.« Frederic lehnte sich vor und sprach etwas leiser, denn ein weiterer Gast kam, ein fetter Gentleman, der hier seine Zigarre rauchte und ebenso wie die meisten Clubbesucher die Börsenberichte studierten.
»Ich werde verhindern, dass du mit deiner Macht die Welt zu einem düsteren Ort machst.«
Daargon zuckte zusammen. Mit diesen klaren und ehrlichen Worten schien er nicht gerechnet zu haben. Er fasste sich und antwortete: »Und wie willst du das anstellen? Du bist selbst ein Vampir. Du bist einer von uns. Dennoch stehst du außerhalb unserer Gesellschaft. Man könnte dich auch einen Verräter nennen.«
»Was ich bin, habe ich mir nicht ausgesucht.«
»Pah.« Daargon winkte ab. »Vielen von uns geht es so, trotzdem wissen wir sehr schnell zu schätzen, was wir sind. Keine Würmer, sondern Adler.«
Frederic schwindelte es unvermittelt und er war froh, seinen inneren Aufruhr hinter der Brille verbergen zu können. Daargons Präsenz war ungeheuerlich und drohte ihn zu ersticken. Wie eine Wand aus eisigem Wind stürmte sie auf ihn zu und legte sich wie ein brennender Mantel um ihn. Lockrufe klangen in ihm und er musste sich zusammenreißen, um seine Zähne zu verbergen. Blutdurst pulsierte in ihm und es hätte nicht viel gefehlt, Daargon seine Ergebenheit zu zeigen.
Verdammt, ja! Er war ein Vampir!
Warum wehrte er sich noch immer dagegen? Warum beließ er es dabei, Kaninchen zu trinken oder das Blut von Rindern? Warum folgte er nicht endlich seiner Natur?
Caro!
Seine liebste Caroline!
Sie, die er über alles liebte und die er verlieren, vielleicht sogar töten würde. Ludwig, den er liebte wie einen Vater und Madame DeSoussa, der er alles, wirklich alles zu verdanken hatte.
Er war von Regus vergewaltigt worden, war in diese Rolle gezwungen worden und hangelte nach jedem Strohhalm, der ihn
Weitere Kostenlose Bücher