Blutgesang (Nighthunter 2) Ein Vampir-Roman (German Edition)
bevor er geflohen ist? hätte Caroline am liebsten gefragt, verkniff es sich aber, da ihr dieser Gedanke zu abstrus vorkam. Dennoch hatte sie ein seltsames, ein unbeschreibliches Gefühl gestreift, als er seine blaue Aura über sie
ausgeschüttet?
verströmt hatte.
»Es gibt verschiedene Formen des Fluches. Er kann eine einzelne Person betreffen oder sogar ein Vaterfluch sein, also generationenübergreifend. Kennt ihr den ältesten Fluch überhaupt?«
»Ich nicht«, antwortete Caroline.
»Ich auch nicht«, sagte Ludwig.
Madame DeSoussa fühlte sich augenscheinlich wohl und erklärte: »Der Fluch, den Gott über die Schlange und über den Erdboden aussprach. Vielleicht auch der, den Noah über seinen Enkel Kanaan aussprach.« Sie machte eine Pause. »Wenn wir Priester Fetische herstellen und diese mit bestimmten Metallen durchbohren, ist das nichts anderes als ein Fluch. Manchmal beschwören wir auch sogenannte Zombies, denen wir dann die Vollziehung des Fluches anvertrauen. Manche Priester arbeiten auch mit Rollen, auf die der Fluch verewigt wird. Diese Schriftrollen werden dann mit Nägeln durchbohrt oder verbrannt.«
»Aber von allen diesen Flüchen weiß das Opfer nichts«, unterbrach Caroline. »Wie kann es ihn dann annehmen?«
»Eine gute Frage, Ma’am. Ich könnte jetzt noch die Geschichte des Voodoo erklären, vom alten Boukman erzählen, der den Unabhängigkeitskrieg Haitis begann und siegte, ein großer Voodoopriester oder von unseren Göttern reden, die wir anrufen, für die wir Tiere opfern und die Trommeln schlagen – das würde zu weit führen …«
»Meine Frage, Mambo …«, unterbrach Caroline und nannte Madame DeSoussa seit langer Zeit wieder ‚Priesterin’.
»Geduld, junge Frau. Ein wichtiger Bestandteil unserer Voodoorituale ist der Rum. Wir trinken ihn in großen Mengen, denn er weitet unseren Verstand, vor allen Dingen nach schnellem Genuss innerhalb der ersten etwa zwanzig Minuten. Danach …« Sie grinste und zuckte mit den Achseln. »Wer von euch schon mal einen Hund hatte, weiß, wie dieser reagiert, wenn sein Herrchen oder Frauchen betrunken ist.«
»Der Hund verändert sein Verhalten«, gab Caroline zurück.
»Und warum?«, hakte die Mambo nach.
»Schwingung?«, fragte Ludwig.
»So ist es. Wir verändern unsere Aura und der Hund spürt das. So ungefähr müsst ihr euch einen Voodoozauber vorstellen. Wir verändern die Schwingung, nur um ein Vielfaches stärker, als wenn ein Hundehalter berauscht ist. Und diese Schwingung trifft unser Ziel. Dann zeigt sich, ob die Anima des Senders und des Empfängers übereinstimmen. Je besser ein Priester, desto ergiebiger das Ergebnis.« Sie lächelte. »Ich habe die Anima des Vampirs in der kurzen Zeit so gut studiert, wie ich konnte und ich traue mir zu, ihn zu verfluchen.«
Sie ließ ihre Worte wirken und ihr schwarzes Gesicht strahlte wie poliert.
»Dann sollten wir diesmal das Risiko abwägen. Besser abwägen. Der Erfolg sollte berechenbar sein«, sagte Frederic.
»Und wie willst du das anstellen?«, fragte Caroline.
Frederic fragte: »Wie groß ist der Erfolg, wenn Sie den Vampir in dessen Beisein verfluchen, Mambo?«
»Sehr hoch, Mr Densmore.«
»Dann bereiten Sie alles für das Ritual vor.« Frederic füllte ein massives Kristallglas mit Blut.
Londons Zentrum brodelte, es war ein heißer Sommertag, also das Schlimmste, was geschehen konnte. Es stank erbärmlich nach Pferdedung, nach Schweiß und Essen. Abwässer rannen in den wenigen Kanälen, von denen die meisten in Richtung Themse strömten. Betrunkene pöbelten und Ladys in mehrschichtigen Kleidern wurden in der Hitze und im Gestank ohnmächtig.
Die Bürger von London liebten den Winter, wenn die Pferdepisse gefror und man nicht schwitzte. Nun jedoch lag eine Glocke aus Gestank über der Stadt und in den Randgebieten, St. Gilles oder Whitechapel, wuchs die Typhusgefahr oder die Cholera.
Pferdefuhrwerke rumpelten über das Kopfstein und angetrunkene Kutscher schlugen mit Peitschen aufeinander ein, um sich ihren Weg zu bahnen. Dazwischen flanierten feine Damen und Herren in eleganter Kleidung, während verlauste Straßenkinder sie bestahlen.
Der Orchad-Club war nur eine Wegminute von The Strand entfernt, gehörte also zu einer feineren Gegend.
In diesem Club hielt Frederic Densmore sich hin und wieder auf, um den Neuigkeiten der Stadt zu lauschen.
Hier war es erstaunlich kühl und nur Männer zugelassen, wie es in britischen Clubs üblich war. Frederic, der
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