Blutgesang (Nighthunter 2) Ein Vampir-Roman (German Edition)
in das rechte Auge des Vampirs bohrte.
Mit einer einzigen fließenden Bewegung war Frederic heran, war er bei ihnen, und als das Messer in der Augenhöhle des Mächtigen wippte, bohrte Frederic Morgos Daargon die Klauen in die Brust.
Daargon kreischte, was sich wie eine Säge anhörte, die sich durch feuchtes Holz quält. Er zog das Messer aus dem Kopf und wehrte Frederic mit einem mächtigen Stoß ab.
»An die Wand mit euch«, schrie Frederic. »Alle zusammen und bewegt euch nicht!«
Caroline kroch zu Ludwig, der wieder zu Atem kam und Madame DeSoussa rutschte auf den Knien zu ihnen. Sie hatten den Kampf verloren und die Verantwortung abgegeben. Sie hatten gedacht, es ohne Frederic zu schaffen, aber nicht mit dem gerechnet, was sie erwartete.
Die Vampire umkreisten sich, in der Mitte der Sarg mit dem schräg gelegten Deckel. Sie waren etwa gleich groß und beide strahlten eine düstere Macht aus, die fast greifbar war. Noch nie hatte Caroline ihren Mann so erlebt, noch nie hatte sie ihn derart intensiv als
Vampir!
wahrgenommen.
Frederic Densmore war zum Fürchten. Nichts an ihm erinnerte an den attraktiven und souveränen Anwalt, der er einst gewesen war und in den sie sich im selben Moment verliebte, als sie ihn kennenlernte. Nichts erinnerte an den freundlichen Mann, der sie auf den Kamelrücken gehoben hatte, als sie ihre Hochzeitsreise im Schatten der Pyramiden von Gizeh verbrachten. Nichts an den jungenhaften Suchenden, an den Shakespeare-Liebhaber, der in Erinnerung an sie, an Caroline, weinte.
Nun war er Morgos Daargon gleich. War wie der Vampyr, war eine Gestalt der Dunkelheit, voller Kraft und Morddurst.
»Was hast du erwartet?«, fragte Morgos Daargon und Caroline zuckte zusammen, als sie erstmals seine Stimme hörte. Sie war sanft und warm und nicht weniger elegant als die von Frederic. Lieber Gott, sie hätten Brüder sein können.
»Den Mächtigen, den Großen«, antwortete Frederic und Caroline kannte ihn lange genug, um über den Ausdruck in den Augen ihres Mannes zu erschrecken. Spiegelte sich darin die Leidenschaft des Blutes, glomm dort nicht eine Art Bewunderung, wie sie nur ein Vampir empfinden konnte?
»Frederic!«, rief sie, als wolle sie seine Gedanken zum Bersten bringen.
»Lass ihn«, sagte Ludwig und spuckte einen Zahn aus. »Er hört dich nicht. Was hier geschieht, geht über unser Verständnis.«
»Und warum greifst du mich an?«, fragte Daargon.
Beide Vampire standen still, mit baumelnden Armen und zuckenden Krallen. Knisternde Energie fuhr um die Körper der Düsteren wie ein nebeliger Wind.
»Du wolltest töten, was mir lieb ist.«
»So einer bist du? Du befreist mich und bist betört von Menschlichkeit?«
»So einer bin ich«, gab Frederic zurück.
»Du liebst den Meister der Menschlichkeit?«, fragte Daargon.
»Also liest du meine Gedanken?«
»Sollte ich nicht?«
Frederic grinste.
»Sagt er nicht, der bessere Teil der Tapferkeit sei die Vorsicht?«
»Ja. Das sagt er«, nickte Frederic. »Aber er sagt auch, die Kraft eines Riesen zu besitzen sei wunderbar, sie zu gebrauchen sei Tyrannei.«
Daargon stieß zischend Luft aus. »Wir könnten die Zeit nutzen, um über Shakespeare zu disputieren, wir könnten schweigen, oder wir kämpfen. Was sollen wir tun?«
Caroline stockte der Atem. Die Situation war so bizarr, dass sie an ihrem Verstand zweifelte. Waren sich die beiden so ähnlich, dass sie einem Kampf aus dem Weg gingen? Und – liebe Güte – formte sich dort in der Augenhöhle ein neues Auge? Ja, so war es. Daargon regenerierte. War Frederics Bewunderung für den Artgenossen, für den mächtigsten aller Vampire so groß, dass er sein eigentliches Ziel vergaß und sich in dessen Dienst stellte, um dann die letzte Brücke zur Menschlichkeit hinter sich einzureißen?
Frederic schüttelte sich, eine allzu menschliche Geste, als stände er in einem eisigen Regen und Caroline ahnte seinen inneren Kampf.
»Du hast mich befreit. Kein Ritual, kein Drumherum, sondern einfach, indem du deine Lakaien angewiesen hast, den Deckel zu öffnen.«
»Warum hast du ihn nicht selbst geöffnet?«, fragte Frederic.
»Weil es so sein musste, denn ich war verflucht. Dieser Bann ist gebrochen und nun gehört diese Welt wieder mir. Dafür bin ich dir dankbar, weniger dankbar allerdings dafür, dass du offensichtlich versuchtest, mich zu töten. Schüsse und Klingen – als könne mir das schaden. Eine naive Vorstellung, Bruder. Kinderdenken. Einen Strigoi tötet man nicht, man
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