Blutgier - Ein Alex-Delaware-Roman 21
nächsten zwei Stunden damit, mich als Bradley Dowd auszugeben, der sich mit einem »familiären Notfall« konfrontiert sah und unbedingt seine Schwester und seinen Neffen Dylan ausfindig machen musste. Viele Ablehnungen, und bei den wenigen Firmen, die ihre Passagierlisten überprüften, waren Nora oder Meserve nicht aufgeführt. Was nichts bewies, falls das Pärchen neue Identitäten angenommen hatte.
Damit Milo bei Gericht einen Antrag auf Herausgabe der Unterlagen stellen konnte, brauchte er einen Beweis für kriminelles Verhalten, und Dowd und Meserve hatten nichts anderes getan, als zu verschwinden.
Falls Dylans Verurteilung wegen einer Gesetzesübertretung nicht gegen ihn benutzt werden konnte.
Milo würde jetzt vollauf mit »langweiliger Polizeiarbeit« beschäftigt sein. Ich rief ihn dennoch an und beschrieb Billy Dowds Verhalten.
Er sagte: »Interessant. Ich habe gerade den vollständigen Obduktionsbericht von Michaela gelesen. Auch interessant.«
Wir trafen uns um 21 Uhr in einer Pizzeria am Colorado Boulevard mitten in der Altstadt von Pasadena. Hippies und junge Geschäftsleute labten sich an dünnen Krusten und Krügen voll Bier.
Milo hatte BNB-Häuser in den östlichen Vorstädten nach Beweisen für eine inoffizielle Nutzung durch Peaty als Trophäenlager durchsucht und gefragt, ob ich mich mit ihm treffen könne. Als ich um Viertel nach acht aus dem Haus ging, klingelte das Telefon, aber ich ließ es klingeln.
Als ich eintraf, saß er in einer Nische im vorderen Bereich, entfernt vom Getriebe, und arbeitete an einer Scheibe von fünfundvierzig Zentimetern Durchmesser, die mit nicht identifizierbaren Nahrungsmitteln belegt war, während sein Krug halb voll und beschlagen war. Er hatte mit dem Finger ein fröhliches Gesicht auf das Glas gemalt. Die Linien waren zu etwas Verdrießlichem und psychiatrisch Vielversprechendem zusammengeschmolzen.
Bevor ich mich setzen konnte, schwang er seinen zerbeulten Aktenkoffer auf den Tisch, holte eine gerichtsmedizinische Akte heraus und legte sie auf seinen Schoß. »Wenn du fertig bist. Lass dir nicht den Appetit verderben.« Mampf, mampf.
»Ich habe schon gegessen.«
»Nicht sehr gesellig von dir.« Er massierte den Krug, wischte das Gesicht weg. »Willst du ein Glas?«
Ich sagte: »Nein danke«, aber er ging trotzdem los und holte eins. Die Akte ließ er auf seinem Platz liegen.
Vorne waren die üblichen Formulare eingeheftet, unterzeichnet von Dr. A. C. Yee, Deputy Coroner. Auf den Fotos war das, was einmal Michaela Brand gewesen war, eine Schaufensterpuppe, die Stück für Stück auseinandergenommen wurde. Wenn man genug Obduktionsfotos gesehen hat, lernt man, den menschlichen Körper in seine Bestandteile zu zerlegen, und versucht zu vergessen, dass er jemals Gottes Ebenbild gewesen ist. Wenn man zu viel darüber nachdenkt, ist es aus mit dem Schlafen.
Milo kam zurück und goss mir ein Bier ein. »Sie ist erwürgt worden, und alle Messerwunden sind ihr postmortal zugefügt worden. Interessant sind die Nummern sechs und zwölf.«
Sechs war eine Nahaufnahme der rechten Seite des Halses. Die Wunde war etwa zwei, drei Zentimeter lang und in der Mitte leicht gewölbt, als ob etwas in den Schlitz geschoben und so lange dort drin gelassen worden wäre, dass eine kleine Tasche entstehen konnte. Der Gerichtsmediziner hatte die Läsion eingekringelt und über das Linealsegment zur Größenbestimmung eine Referenznummer notiert. Ich blätterte bis zur Zusammenfassung und fand die Anmerkung.
Postmortale Inzision, oberer Rand der sternoklavikularen Kerbe, Vorhandensein von Bindegewebsdehnung und Oberflächenerforschung der rechten Jugularvene.
Zwölf war die Frontalansicht einer weichen, vollbusigen Frauenbrust. Michaelas Implantate dehnten sich, als wäre Luft aus ihnen entwichen.
Dr. Yee hatte mit Pfeilen auf die Nähte verwiesen und notiert: »Gut verheilt«. In der glatten Ebene zwischen den Hügeln waren fünf kleine Wunden. Keine Wölbungen. Yees Messungen zufolge waren sie flach, zwei waren kaum unter die Haut gegangen.
Ich schlug wieder die Beschreibung der Halswunde auf. »›Oberflächenerforschung‹. Hat er mit der Vene herumgespielt?«
»Vielleicht eine besondere Art von Spiel«, sagte Milo. »Yee wollte sich nicht schriftlich festlegen, aber er sagte, der Schnitt erinnere ihn an das, was ein Einbalsamierer zu Beginn seiner Arbeit an einer Leiche machen würde. Es sei genau die Stelle, die man nehmen würde, wenn man die Jugularvene
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