Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blutgier - Ein Alex-Delaware-Roman 21

Titel: Blutgier - Ein Alex-Delaware-Roman 21 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
Tür.
    »Ja!« Sie strahlte. »Mister Hause.«
    Augenblicke später kam der alte Mann herausgeschlurft. Er trug eine ausgebeulte weiße Strickjacke über einem braunen Strickhemd, eine Seersuckerhose mit pinkfarbenen Streifen und dieselben Hausschuhe mit den Wolfsköpfen an den Spitzen.
    Sein spöttisches Lächeln war virtuos. »Der verlorene Polizist trifft ein. Was ist erforderlich, um euch zu motivieren ?«
    »Wir hatten ein paar Probleme mit dem Telefon«, sagte ich.
    Er lachte meckernd mit der Fröhlichkeit dessen, der alles schon gesehen hat, räusperte sich viermal, bis seine Kehle frei war, schluckte etwas hinunter. »Da haben meine Steuern ja eine gute Verwendung gefunden.«
    »Weshalb haben Sie angerufen, Sir?«
    »Das wissen Sie nicht?«
    »Deshalb bin ich hier.«
    »Sie haben meine Nachricht immer noch nicht gesehen? Warum sind Sie dann -«
    »Ich habe es mir zusammengereimt, Mr. Beamish, nachdem ich den Ausdruck von Verachtung auf Ihrem Gesicht gesehen habe, als ich hier vorbeifuhr.«
    »Den Ausdruck von …« Ein faltiger, lippenloser Mund verzog sich zweideutig. »Ein regelrechter Sherlock.«
    »Wie lautet die Nachricht?«, fragte ich.
    »Sie zucken beim Reden zusammen, junger Mann.«
    »Ich bin ein bisschen lädiert, Mr. Beamish.«
    »Haben Sie mit meinen Steuergeldern Gelage gefeiert?«
    Ich knöpfte mein Jackett auf, öffnete ein paar Hemdknöpfe und zeigte ihm die Bandagen um meinen Brustkorb.
    »Gebrochene Rippen?«
    »Ein paar.«
    »Das Gleiche ist mir passiert, als ich in der Army war«, sagte er. »Keine Heldentaten im Kampf. Ich war in Bayonne, New Jersey, stationiert, und irgendein irischer Rüpel aus Brooklyn ist rückwärts mit einem Jeep direkt gegen mich gefahren. Ein paar unglückliche Zentimeter mehr, und ich wäre kinderlos geblieben, hätte Sopran gesungen und für die Demokraten gestimmt.«
    Ich lächelte.
    »Lassen Sie das«, sagte er. »Das muss höllisch wehtun.«
    »Dann machen Sie keine Witze«, erwiderte ich.
    Er lächelte. Ein richtiges Lächeln, ohne jeden Hohn. »Die Army-Ärzte konnten nichts tun, um mich zusammenzuflicken, haben nur einen Verband um die Rippen gemacht und gesagt, ich müsse warten. Als es mir wieder besser ging, haben sie mich auf den europäischen Kriegsschauplatz geschickt.«
    »Seitdem hat die Medizin keine Fortschritte gemacht.«
    »Wann ist Ihnen das zugestoßen? Obwohl es mir ziemlich egal ist.«
    »Vor zwei Tagen. Obwohl es Sie gar nichts angeht.«
    Er zuckte zusammen. Starrte mich wütend an. Zupfte braunen Stoff von seiner eingefallenen Brust. Brach in trockenes Gelächter aus, hustete noch ein bisschen Schleim ab. Als das Keuchen aufhörte, sagte er: »Wie wär’s mit einem Drink? Es ist fast Mittag.«
    Während ich ihm durch düstere, staubige Zimmer mit hohen Decken folgte, die voller Antiquitäten aus dem 19. Jahrhundert und chinesischem Porzellan waren, fragte er: »Wie ist es dem anderen Burschen ergangen?«
    »Schlimmer als mir.«
    »Gut.«
     
     
    Wir saßen an einem runden Tisch in seinem achteckigen Frühstückszimmer direkt neben der Küche, deren Edelstahlablagen und angestoßene weiße Einbauschränke verrieten, dass seit einem halben Jahrhundert keine Änderungen vorgenommen worden waren.
    Längs unterteilte Fenster sahen auf einen schattigen Garten hinaus. Um den Tisch aus abgelagertem Mahagoni mit Brandspuren von Zigaretten und Wasserflecken standen vier Queen-Anne-Stühle. Die Wandbekleidung war ein chinesischer Druck aus hellgrüner Seide, der mit Pfingstrosen und Rotkehlhüttensängern und fiktiven Ranken bedeckt und an manchen Stellen weiß verblasst war. Ein einzelnes gerahmtes Foto hing an der Wand. Schwarz-weiß und ebenfalls mitgenommen durch jahrzehntelange UV-Bestrahlung.
    Als Beamish ging, um die Drinks zu holen, sah ich mir das Foto an. Ein schlaksiger, hellhaariger junger Mann in der Uniform eines Army-Captains stand Arm in Arm mit einer hübschen jungen Frau. Ihr Glockenhut saß auf dunklen Locken. Sie trug ein tailliertes Sommerkostüm und hielt einen Blumenstrauß in der Hand.
    Im Hintergrund lag ein großes Schiff. U.S.S. Soundso. Eine mit dem Füller geschriebene Legende in der unteren rechten Ecke lautete: 7.4.45, Long Beach: Betty und Al. Endlich zurück aus dem Krieg!
    Beamish kehrte mit einer geschliffenen Kristallkaraffe und einem Paar dazu passender altmodischer Gläser zurück, ließ sich langsam in einen Sessel sinken, wobei er sich bemühte, sich seine eigenen Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Dann

Weitere Kostenlose Bücher