Blutgold
mit einer abgesägten Schrotflinte auf mich
geschossen, und auch Leon war ja mit einer Schrotflinte erschossen worden.
Sicher ist sicher, sagte ich mir. Es gelang mir, den Maschendrahtzaun zu
erklimmen. Auf der anderen Seite ließ ich mich schwer zu Boden fallen und
stolperte hinab zum Flussufer.
Nach ein, zwei Minuten entdeckte ich das Absperrband, lief die
Uferböschung hinauf und wandte mich nach Osten. Ich lief schnell, und obwohl
meine Raucherlunge mich zwang, alle paar Hundert Meter stehen zu bleiben, um
wieder zu Atem zu kommen, erblickte ich bereits nach wenigen Minuten durch die
Bäume hindurch die Scheune.
Das Gebäude bestand aus Wellblech und lag auf einer kleinen Lichtung
mitten im Wald. Der Waldboden am Rand der Lichtung war von dichtem Unterholz
bewachsen, und als ich näherkam, sah ich die vier Gardai hinter einem Gestrüpp
aus Brombeersträuchern kauern, etwa fünfundvierzig Meter westlich der Scheune.
Dann sah ich, wie Helen Gorman aufstand, ihre Waffe zog und aus dem Gestrüpp
hervortrat, hinter dem sie sich verborgen hatte. Unsicher stand einer der
anderen Uniformierten ebenfalls auf, während seine beiden Kollegen blieben, wo
sie waren.
Ich blickte an Gorman vorbei und entdeckte Barry Ford auf der Lichtung.
Er trug einen weißen Schutzanzug, und seinen Mund bedeckte eine Papiermaske. Er
beugte sich in sein Auto, und ich vermutete, dass Helen ihn davon abhalten
wollte, davonzufahren. Als sie sich ihm näherte, richtete er sich auf, und seine
Augen weiteten sich ein wenig. Dann beugte er sich wieder in den Wagen. Gorman
brüllte ihm zu, er solle das Fahrzeug verlassen. Sie dachte wohl, er wolle
fliehen. Zu spät erkannte ich, dass er das gar nicht vorhatte. Vom
Beifahrersitz nahm er eine Schrotflinte, drehte sich blitzschnell zu Gorman um
und hielt den Gewehrschaft mit beiden Händen in Hüfthöhe. Gorman erstarrte mit
erhobener Waffe. Dann senkte sie den Arm, als wolle sie einen Schuss abgeben.
Ich brüllte ihr zu, sie solle in Deckung gehen, während ich meine eigene Waffe
zog, aber es war zu spät.
Der Knall hallte von den Bäumen wieder, sodass die Vögel über uns in
misstönendes Kreischen ausbrachen. Doch ihr Geschrei war nichts gegen den
Schmerzensschrei, den Helen Gorman ausstieß, als ihr Körper nach hinten
geschleudert wurde. In der Nähe ihrer Kollegen fiel sie zu Boden, und die
Männer rappelten sich hastig hoch. Ich konnte in rascher Folge zwei Schüsse auf
Ford abgeben, doch er duckte sich hinter seinen Wagen und stolperte dann auf
den Waldrand an der Rückseite der Scheune zu.
Ich fiel neben Gorman auf die Knie und ergriff ihre Hand. Der Schuss
hatte sie in die Brust getroffen und ihr Diensthemd zerfetzt. Die
Schrotmunition hatte in der Brust und an der Schulter tiefe Wunden ins Fleisch
gerissen, und Blut strömte durch meine Finger, als ich die Hand auf die Wunden
presste.
»Rufen Sie Hilfe«, schrie ich den dreien zu, die hinter mir standen und
ihre Kollegin offenen Mundes anstarrten. »Rufen Sie einen Krankenwagen,
verdammt!«, brüllte ich. Endlich holte einer von ihnen sein Handy hervor,
während die anderen neben Helen niederknieten. Einer zog seinen Pullover hoch
und riss einen Stoffstreifen vom Saum seines Hemdes, um damit die tiefste Wunde
zu verbinden. Ich hatte einen Erste-Hilfe-Kasten im Auto, aber das stand zu
weit entfernt.
Gorman brüllte, als wir die Hände auf ihre Wunden drückten. Sie biss
die Zähne aufeinander und packte meine Hand fester. Jedes Mal, wenn die
Schmerzen sie schüttelten, krampfte ihre Hand sich um meine Finger.
Absurderweise musste ich an meine Frau denken, die meine Hand bei Pennys Geburt
genauso umklammert hatte.
»Sie kommen wieder in Ordnung, Helen«, sagte ich und strich ihr die
Haare aus dem Gesicht. Dabei verschmierte ich das Blut, das an meiner Hand
klebte, auf ihrer Stirn, die sich bereits kalt und klamm vor Schweiß anfühlte.
»O Gott, ist mir kalt«, sagte sie. »Mir ist so scheißkalt.«
Sie zitterte vor Kälte, und ich legte den Arm um sie. Ihre Zähne
schlugen unkontrolliert aufeinander, und ihre Muskeln krampften sich immer
wieder zusammen.
Sie schrie erneut, ein schrilles Heulen, wie ich es noch nie gehört
hatte. Ihr Rücken bog sich durch, sie wand sich vor Schmerzen, packte meine
Hand noch fester, zog sie an den Mund und biss hinein, um die Schmerzen
ertragen zu können.
»Der Krankenwagen ist gleich hier«, sagte der Kollege hinter mir.
Gorman versuchte zu lächeln, doch ihr Mund war angespannt und
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