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Blutgrab

Blutgrab

Titel: Blutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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unbeschreibliche Sehnsucht. Mit ihren 47 Jahren war sie nicht mehr die Jüngste, und diese Liebeleien mit wechselnden Partnern waren einfach nicht Majas Ding. Doch auch sie hatte Bedürfnisse, sehnte sich oft nach einer starken Schulter zum Anlehnen, besonders dann, wenn das Verbrechen im heimischen Weserbergland wieder einmal zugeschlagen hatte und sie frustriert, müde und ausgebrannt am Ende eines langen Arbeitstages nach Hause kam.
    Kein Wunder, dass sie in den letzten Monaten an Gewicht zugelegt hatte. Immer, wenn sie ihre Wohnung an der Pyrmonter Straße betrat, empfing sie die große und finstere Einsamkeit wie ein Dämon, der nur darauf lauerte, sie für sich zu vereinnahmen. Viele der einsamen Abende verbrachte sie in Gesellschaft einer Flasche Rotwein. Dazu gab es meistens Fast Food, da sie weder Lust noch die nötige Zeit zum Kochen hatte.
    Vielleicht war es falsch gewesen, bei der Kriminalpolizei anzufangen. Doch damals, als junge Frau, hatte sie es als eine Ehre angesehen, Verbrecher zu jagen und für die Gerechtigkeit zu kämpfen. Hinzu kam, dass sie sich als künftige Beamtin in einer krisensicheren und einigermaßen gut bezahlten Stelle wähnen konnte. Hätte man ihr damals schon gesagt, wie sehr ihr Privatleben als Kriminalkommissarin leiden würde - wahrscheinlich hätte sie sich einen anderen Beruf gesucht. Vor einiger Zeit hatte sie Ulbricht kennengelernt.
    Bei seiner Kur in Bad Pyrmont hatte er sich den Anwendungen entzogen, um das Weserbergland auf eigene Faust zu erkunden. Als er sein mitgebrachtes Frühstück auf einer Mauer der Burgruine Polle einnahm, hatte er einen Toten unterhalb der Burg entdeckt. Doch anstatt seine Kur zu genießen und die Arbeit dem Team, also Maja und ihren Kollegen, zu überlassen, hatte er sich ungefragt immer wieder in den Fall eingemischt. Auch Majas Ermahnungen, dass sie in dem Fall die Ermittlungen leite, konnte ihn nicht abhalten, weiterzuermitteln. Und irgendwann bemerkte sie, dass es trotz der großen Unterschiede auch einige Gemeinsamkeiten gab, die sie verband. Langsam, ganz langsam, war eine Freundschaft zwischen ihnen gewachsen.
    Mit Kriminalhauptkommissar Norbert Ulbricht, diesem bärbeißigen Kerl in meist bügelfreien Klamotten, der in der Regel kein Blatt vor den Mund nahm und nicht immer leicht zu ertragen war. Doch sie wusste längst, dass auch er ein weiches, manchmal viel zu großes Herz besaß. Zudem war er ein Kollege, sicherlich ein weiterer Vorteil für eine Partnerschaft, denn so wusste jeder von den beruflichen Problemen des anderen.
    Maja riss sich vom Anblick der Eheringe los. War da eben das Wort Partnerschaft in Verbindung mit Norbert Ulbricht durch ihren Kopf gegeistert?
    Mehr Zeit, über ihre Sorgen und Sehnsüchte nachzudenken, fand sie nicht, denn im nächsten Moment brach zwei Meter neben ihr das Chaos aus.
    *
    Das junge Paar vor der Verkaufstheke begann Carolin Mertens zu nerven. Seit einer knappen halben Stunde ließen sich die beiden von der Schmuckverkäuferin beraten. Eheringe sollten es sein, um das gemeinsame Glück für immer zu beschließen. Dabei waren sie von dezenten Ringen in Weißgold zu 999er-Goldringen und wieder zurück zu Weißgold, jetzt aber in breiter Ausführung zurückgekommen. Sie, ein etwas introvertiertes aber durchaus hübsches Mädchen von vielleicht Mitte zwanzig, redete tuschelnd auf ihren künftigen Gatten ein. Er, der Kleidung nach zu urteilen, Sohn aus gutem Elternhaus, blinzelte hinter den Gläsern seiner Brille immer wieder hilfesuchend zu Carolin Mertens hinüber, die sich jedoch dezent zurückhielt. Ihre Aufgabe war es, dem Paar die gewünschten Ringe zu zeigen, die Wahl würde sie den beiden aber nicht abnehmen können.
    Und augenblicklich hatte Carolin Mertens das Gefühl, dass hier die erste Ehekrise bevorstand, noch bevor das Paar überhaupt vor den Traualtar getreten war. In geübter Manier wich sie einen Schritt zurück, lehnte an der Vitrine in ihrem Rücken und richtete den Blick auf einen imaginären Punkt hinter den beiden.
    Sie war heilfroh, dass die beiden die einzigen Kunden im Geschäft waren, denn sonst würde es schnell hektisch werden. Es war einfach nicht ihr Tag heute: Carolin hatte in der Nacht schlecht geschlafen, da sie sich gestern Abend mit Nils gestritten hatte. Der Verdacht von Carolins bester Freundin schien sich zu bestätigen - Nils schien eine andere Frau zu haben. Mit seinen achtundzwanzig Jahren war er knapp zehn Jahre jünger als Carolin, dazu sah er recht gut aus;

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