Blutgrab
Mertens etwas mit dem Einbruch zu tun haben könnte, behagte ihm nicht sonderlich. »Sie ist das Opfer«, brummte er. »Stress mit dem Kerl, Überfall, jetzt noch der Einbruch in die Bude.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, dass sie etwas zu verbergen hat.«
»Ich fürchte, da müsst ihr noch mal ins Detail gehen«, erwiderte Kegelmann, dann verabschiedete er sich in einen, wie er hoffte, angenehmen Feierabend.
12
»Nett habt ihr es im Bergischen Land«, sagte Maja und blickte durch das Seitenfenster. Ulbricht sah ihr an, dass sie die Fahrt sichtlich genoss. Für ihn wirkte die Gegend bei diesem Schmuddelwetter grau und trostlos, und der stockende Verkehr auf der Ringstraße tat sein Übriges, um seine Laune weiter in den Keller sinken zu lassen. Gerade hatten sie die große Kreuzung in Remscheid-Lennep überquert, an der es links nach Radevormwald ging.
»Geht so.« Er zuckte die Schultern und warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. »Man nennt Wuppertal, Remscheid und Solingen auch das Bergische Städtedreieck. Für mich ist das alles eine riesengroße Kloake. Es wird immer schlimmer hier, und ich bin mir ziemlich sicher, nach meiner Pensionierung aus Wuppertal zu verschwinden.«
»Du willst zu mir nach Hameln ziehen?« Sie schmunzelte.
Er ging kurz vom Gaspedal und warf Maja einen verunsicherten Blick zu. Tatsächlich hatte er schon öfter mit dem Gedanken gespielt, sich ein kleines Haus oder eine Wohnung im Weserbergland zu kaufen. Dort ging es noch wesentlich beschaulicher zu, auch, wenn Hameln nicht von Mord und Totschlag verschont blieb. Aber das war wohl auch gut so, denn sonst wäre Hauptkommissarin Maja Klausen wahrscheinlich schon längst arbeitslos. Doch es gefiel ihm in der Rattenfängerstadt. Maja gegenüber hatte er diesen Gedanken allerdings noch nie ausgesprochen. Es war ihm ein wenig unangenehm, dass sie ihn jetzt so direkt darauf ansprach.
»Nun«, setzte er ein wenig hilflos an. »Es ist ganz nett dort. Und wir waren beide nicht so alleine.«
»Du willst dich versetzen lassen?«
Ulbricht hieb auf das Lenkrad. »Sag mal, hörst du mir nicht zu? Ich will hier weg, sobald ich die Pension durch habe. Ich habe keine Lust, deinem Lieblingspartner Grundmann täglich zu begegnen.« Grund zur Eifersucht bestand für Ulbricht nicht, denn obwohl die beiden mehr Stunden am Tag gemeinsam verbrachten als er und Maja im ganzen Monat, musste er sich keine Sorgen machen: Hauptkommissar Jürgen Grundmann stand auf Männer. Das war aber nicht der Grund, weshalb Ulbricht ihn nicht sonderlich mochte: Der Hamelner Kollege war cholerisch, stur und vergaß zu oft seine gute Erziehung. Vielleicht war er ein wenig zu sehr wie Ulbricht.
»Und wann soll das sein?«, riss Maja ihn aus den Gedanken.
»Am liebsten morgen«, seufzte Ulbricht.
»Was würde Wiebke dazu sagen?«
Ulbricht musste sich eingestehen, dass er sich über die Meinung seiner Tochter noch gar keine Gedanken gemacht hatte. Hameln war nicht weiter weg von Husum - leider lag die Rattenfängerstadt aber auch nicht viel näher an der Nordseeküste.
»Vielleicht überlege ich es mir auch und ziehe in den Norden«, brummte er ein wenig unzufrieden über seine eigene Unentschlossenheit. »Mich hält hier nichts mehr, außer der Dienst als Bulle.«
»Den du gern machst.«
»Unsinn. Wir sind übrigens gleich da.« Er setzte den Blinker und bog von der viel befahrenen Straße nach links in die Leverkuser Straße auf ein ehemaliges Betriebsgelände ab. Nach dem Abzug der Firma war hier ein riesiger Industriepark entstanden, der kleinen und mittelständischen Unternehmen Büro- und Produktionsflächen vermietete. Im ehemaligen Pförtnerhäuschen war jetzt der Werksschutz untergebracht, wahrscheinlich war das rund 220.000 Quadratmeter große Grundstück videoüberwacht. Ulbricht stoppte den Vectra an der Einfahrt auf das Werksgelände und orientierte sich kurz auf der Informationstafel, bevor er im Schritttempo weiterfuhr.
»Was ist das hier?«, fragte Maja überrascht.
»Das war früher eine große Firma, die aber dann ins Ausland abgewandert ist und zahlreiche Arbeitsplätze der Region vernichtet hat. Die Hallen und Verwaltungsgebäude hat ein cleverer Immobilienmakler stehen lassen und sie an verschiedene Handwerks- und Industriebetriebe vermietet. Oder es gehört noch einem Tochterunternehmen des Konzerns; ich weiß es nicht. Hier sind jetzt auch Rechtsanwälte, Steuerberater und Immobilienmakler neben Handwerkern und anderen kleinen
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