Blutheide
dem gleichen Stand sind.«
Katharina war hochgradig motiviert. Sie hatte nach dem leicht missglückten Start wieder aufgeholt und war zugegebenermaßen etwas stolz, dass ihr die Zettel mit den Gedichtfetzen als Erster aufgefallen waren. Jetzt musste sie dran bleiben, um Benjamin zu beweisen, dass sie eine gute Kommissarin war. Und auch sich selbst musste sie es beweisen. Dann würde ihrem guten Neubeginn in Lüneburg nichts mehr im Wege stehen – hoffte sie. Sie nahm ihren Notizblock, auf dem sie für sich die bisherigen Fakten zusammengetragen hatte.
»Wir haben drei Leichen«, begann sie mit fester Stimme. »Ein Mann, zwei Frauen. Drei verschiedene Fundorte, drei verschiedene Tötungsarten. Sogar sehr verschieden. Dem ersten Opfer wurde, wie die Obduktion ergeben hat, das Genick gebrochen. Anschließend wurde die junge Frau mit einem Auto überfahren, vermutlich, um den eigentlichen Mord zu vertuschen. Sie war Studentin im fünften Semester und Single, bisher nicht auffällig. Sie kommt aus Lüneburg. Die Eltern haben ihre Tochter bereits identifiziert und warten darauf, dass wir die Leiche für die Beerdigung freigeben. Ich werde gleich veranlassen, dass sie darüber befragt werden, ob sie sich einen Reim auf den Gedichtzettel, der bei ihrer Tochter gefunden wurde, machen können, glaube es aber eher nicht. Das zweite Opfer wurde im Wasser treibend gefunden. Es ist aber davon auszugehen, dass der Mann nicht ertrunken ist, sondern ebenfalls vorher getötet oder zumindest verletzt wurde, weil er – das wissen wir bereits – wenig Wasser in der Lunge hatte. Allerdings müssen wir noch die genauen Ergebnisse der Obduktion abwarten. Eine Identifizierung des Mannes war bisher nicht möglich. Und das dritte Opfer, das du selbst gerade identifiziert hast, Ben – Lara Jüssen, verheiratet, zwei Kinder – ist erdrosselt worden. Habt ihr ihren Mann eigentlich schon erreicht?« Katharina sah die beiden Männer am Tisch fragend an.
»Nein, er ist wohl bis zum späten Abend beruflich unterwegs und nicht erreichbar. Die Kinder sind bei den Großeltern«, antwortete Benjamin, der Lara Jüssen noch aus Schulzeiten kannte, jedoch nie näher mit ihr zu tun gehabt hatte.
»Okay«, setzte Katharina wieder an, »die einzige aber dafür ziemlich offensichtliche Parallele sind die Gedichtzettel. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass das ein Zufall ist. Den Zettel mit dem Gedicht von der ersten Leiche hab ich bereits angefordert, die anderen beiden sind hier. Wir müssen sie jetzt, nachdem wir davon ausgehen können, dass sie vom Täter stammen, noch auf Fingerabdrücke oder andere Spuren untersuchen lassen. Was mir allerdings vorhin schon aufgefallen ist: Sie tragen nicht alle die gleiche Handschrift.«
»Das könnte vielleicht bedeuten«, warf Tobias ein, »dass der Täter seine Opfer gezwungen hat, die Gedichtzeilen selbst aufzuschreiben. Was für ’n kranker Typ!«
»Im Moment können wir noch nicht allzu viel machen. Wir müssen erst die detaillierten Ergebnisse der Obduktion und aus der KTU abwarten, dann wissen wir vielleicht mehr. Ich werde die Zettel als Nächstes aber schon mal ordnen. Vielleicht ergibt sich eine Reihenfolge aus den Fragmenten. Die können wir dann mit den Todeszeitpunkten vergleichen. Vielleicht geht der Täter ja strukturiert vor. Dann sollten wir uns auf jeden Fall auch die Gedichtausschnitte im Zusammenhang mit den jeweiligen Morden noch einmal genau ansehen. Und wenn der Täter seine Opfer wirklich gezwungen hat, das Zeug zu schreiben, dann wird ein Grafologe das erkennen können. Unter Druck schreibt man zwar anders, als wenn man entspannt ist, ich zumindest. Wir sollten also auch zur Sicherheit Handschriftenproben der Opfer besorgen. Dann müssen wir noch prüfen, ob zwischen den Opfern irgendein Zusammenhang besteht. Am ehesten werden wir das über die Befragung der Angehörigen herausfinden.«
Benjamin schien mit seinen Gedanken woanders zu sein. Katharina war dadurch leicht verunsichert, aber Tobi sprach es direkt an: »Was ist los, Ben, dir geht doch schon wieder irgendwas durch den Kopf, das seh’ ich dir doch an!«
Benjamin runzelte die Stirn, sah Tobias eindringlich an und antwortete: »Stimmt. Mir ist da gerade etwas aufgefallen, aber ich muss das noch nachprüfen. Wenn mich nicht alles täuscht, dann hatten wir vor einigen Jahren einen Mord, bei dem Fundort und Leiche genauso aussahen, wie bei unserer Toten heute Nachmittag …«
»Weißt du noch, wann das genau gewesen
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