Blutheide
zur Ruhe kommen. Bene war ein Fehler gewesen, das hatte sie eigentlich bereits geahnt, seit sie sich aus seinem Bett geschlichen hatte. Befürchtet hatte sie es schon beim ersten Martini in der Kneipe, wenn sie ehrlich war. Nicht, dass sie die Nacht bereute, ganz und gar nicht. Der Sex mit Bene hatte ihr gut getan, endlich hatte sie sich mal wieder selbst gespürt, hatte wie schon lange nicht mehr das Gefühl gehabt, zu leben. Der letzte Mann, mit dem sie das Bett geteilt hatte, war Maximilian gewesen. Sie hatte ihn kurz nachdem sie in der Münchener Dienststelle angefangen hatte kennen und … ja, und lieben gelernt. Er war der zuständige Staatsanwalt der Behörde gewesen und eher sachlich veranlagt. Katharina hatte Maximilian geliebt und ihm vertraut. Er war der Mann gewesen, für den sie morgens Rührei gemacht hatte und mit dem sie hatte alt werden wollen. Bis zu dem Tag: Diesem einen Tag, der alles verändert hatte. Kurz tauchte Maximilians Bild in Katharinas Kopf auf, wurde dann jedoch von einem anderen Bild verdrängt. Von Bene, der hinter seiner Bar stand und Cocktails mixte. Bene. Katharinas Körper durchfuhr ein kleiner wohliger Schauer und sie musste sich schütteln. Ihr passte das gar nicht. Benedict Rehder schwirrte ihr im Kopf herum. Das war ihr vorhin in der Hotelbar erschreckend klar geworden, und die Konsequenz daraus würde Chaos heißen. Das fühlte sie. Erneutes Gefühlschaos war das letzte, was sie gerade gebrauchen konnte. Wäre er nicht der Bruder ihres Chefs, wäre es vielleicht okay. Vielleicht … Aber diese Konstellation war denkbar ungünstig, das würde nur zu Stress führen. Andererseits wunderte es sie nicht, dass sie öfter, als ihr lieb war, an Bene denken musste, wo ihr sein Ebenbild den ganzen Tag über begegnete. Mist, konnte denn nicht irgendwas in ihrem Leben mal einfach und unkompliziert sein?
In ihrem Job konnte, ja musste man seine Emotionen manchmal komplett ausblenden, die eigene Person ganz hinten anstellen und lediglich seinen Verstand arbeiten lassen. Das hatte sie schmerzlich gelernt und inzwischen zu ihrer Überzeugung gemacht. Und gerade in den letzten Wochen in München hatte ihr diese Einstellung sehr geholfen. Nach ihrem letzten großen Fall in der bayerischen Metropole war der Job für sie eine Flucht vor den Tatsachen gewesen. und sie war froh darüber gewesen, ihn nicht an den Nagel gehängt zu haben, wie sie es im ersten Schock nach dem Vorfall vorgehabt hatte. Genau der Job, der ihr sekundenschnell alles genommen hatte, gab ihr bis heute jeden Morgen nach dem Aufstehen die Kraft, den Tag zu überstehen und nicht an sich selbst oder die furchtbaren Dinge zu denken, die vorgefallen waren.
Katharina lief ein Schauer über den Rücken bei der Erinnerung an den schrecklichen Vorfall im letzten Jahr. Denn jetzt hatte sie erneut Maximilians Bild vor Augen. Nicht das des netten Maximilians, sondern das des Monsters. In ihrem Kopf begann es zu rauschen, und sofort nestelte sie nervös in ihrer Jackentasche herum, auf der Suche nach einer Zigarette. Inzwischen war sie auf dem leer gefegten Marktplatz angekommen und ließ sich auf einer der Bänke nieder, auf denen vormittags ältere Herrschaften eine Verschnaufpause einlegten und nachmittags Jugendliche die Zeit totschlugen. Katharina streckte ihre langen Beine aus, führte die Zigarette zum Mund und steckte sie an. Rauch gegen das Rauschen im Kopf, so hatte sie es sich zur Angewohnheit gemacht, obwohl es nicht wirklich half. Sie bildete sich aber ein, dass sie dadurch zumindest immer etwas ruhiger wurde, und das war schon eine Menge wert.
Katharina versuchte, alles andere auszublenden und an den Fall zu denken. Nach ein paar tiefen Zügen gelang es ihr tatsächlich, die Morde zumindest in den Vordergrund ihres Gehirns zu drücken. Hatten sie es wirklich mit einem Serienmörder zu tun? Die Zettel mit den Gedichtfragmenten sprachen dafür, aber vielleicht war es auch Zufall, schließlich war der Zettel bei der Wasserleiche nicht sofort entdeckt worden, so wie bei der toten Frau heute Morgen im Wald. Könnte auch sein, dass es sich um mehrere Täter handelte. Wahrscheinlich war es aber nicht, bedachte man, dass alle Zeilen aus ein und demselben Gedicht stammten. Noch könnte aber auch das Zufall sein. Spätestens, wenn sie den Zettel von der getöteten Studentin unter die Lupe nehmen könnten, würden sie mehr wissen. Und dann würden sie aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Ermittlungen auf einen einzigen, einen
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