Blutheide
und flapsigen Sprüchen stand. »Pack den Macho in den Schrank, kram den wachen Ermittler raus und lass dich auf die Herausforderung ein, diesen Serienmörder zu finden. Das sollte dich mehr als genug beschäftigen.«
Tobi sah irritiert zu Ben, hielt dann aber den Mund. Er kannte Ben inzwischen lang genug, um zu wissen, wann es ernst wurde. Und er respektierte seinen Vorgesetzten viel zu sehr, um das Spiel auszureizen, das er am Ende ohnehin nur verlieren konnte.
»Katharina wird ein Profil des Täters erstellen. Sie hat die nötigen Kenntnisse, und wir sparen uns die Zeit, extra einen Psychologen anzufordern«, fuhr Ben fort. »Und du, Tobi, hakst bitte nach, ob KTU und Spusi schon irgendwelche neuen, brauchbaren Ergebnisse für uns haben. Mach da ein bisschen Dampf. Wir müssen zusehen, dass wir irgendwie vorankommen, bevor dieses Schwein erneut zuschlägt. Warst du schon bei den Eltern der Studentin und der Familie von Lara Jüssen?«
»Nein, noch nicht«, antwortete Tobi. »Katharina hat mich auf dem Handy erwischt, als ich schon fast hier war. Nach KTU und Spusi mach ich mich aber gleich auf den Weg.«
08.17 Uhr
Katharina war im Eiltempo auf dem Weg zu ihrer Wohnung unterwegs. Sie hatte Ben gebeten, ein paar Unterlagen holen zu dürfen, die ihr bei der Erstellung des Profils helfen würden. Ein Experte würde solche Hilfsmittel vermutlich nicht benötigen, aber sie war nun mal noch kein erfahrener Profiler. Umso mehr freute sie sich, dass sie die Chance bekommen hatte, ihr Können zu beweisen, und das sogar, ohne selbst darum gebeten zu haben. Bens Stimmung war merkwürdig gewesen, und sie gelangte zu der Erkenntnis, dass es vermutlich noch eine ganze Weile dauern würde, bis sie in der Lage war, ihren neuen Chef richtig einzuschätzen. Das war bei Tobi mit seinen betont lockeren und oberflächlichen Sprüchen einfacher.
Als sie nun durchs Treppenhaus zu ihrer Wohnung ging und in der Tasche nach ihrem Schlüssel kramte, rannte ein kleines Mädchen mit lustigen hellblonden Zöpfen sie beinahe um.
»Hoppla, wer bist denn du?«
»Ich bin Leonie, und wer bist du?« Die Kleine strahlte Katharina fröhlich und keck an.
»Mein Name ist Katharina, ich wohne jetzt hier!«
»Leo, hast du alles, bist du sicher?« Eine junge Frau kam die Treppe hinunter und sah Katharina überrascht aber freundlich an. »Oh, hallo – bist du die Neue hier im Haus? Ich bin Juliane. Leonie und ich wohnen neben dir auf der gleichen Etage.«
»Hallo, ich bin Katharina. Ich hoffe, es war nicht zu laut für euch mit dem Umzugsgewusel.«
»Ach Quatsch, gar kein Problem.« Juliane grinste ihre neue Nachbarin ebenso fröhlich wie zuvor ihre Tochter an. »Warte lieber ab, ob es dir nicht ab und zu wegen uns zu bunt wird. Wenn Leonie mit ihren Freundinnen spielt, ist das manchmal ein ganz schöner Zirkus.«
»Gar nicht!« Leonie verzog das Gesicht und versuchte zu schmollen, musste dann aber selbst grinsen. »Na ja, manchmal vielleicht …«
»Das kriegen wir schon hin, ich bin da nicht so empfindlich.« Katharina zwinkerte der Kleinen zu. Sie freute sich, mit den neuen Nachbarn offensichtlich Glück zu haben. Das hätte viel schlimmer kommen können, und außerdem hatte sie gern Kinder um sich.
»Ich muss jetzt zur Schule.« Leonie zog ihre Mutter am Jackenärmel. »Aber ich kann dich ja demnächst mal besuchen kommen, zusammen mit Laura. Das ist meine beste Freundin, okay?«
»Langsam, Schätzchen«, setzte Juliane schmunzelnd hinzu, »Katharina hat bestimmt Besseres zu tun, als dich und Laura gleich im Doppelpack zu ertragen.« Mit einem Lächeln wendete sie sich verabschiedend an Katharina. »Wenn du was brauchst oder Langeweile hast, klingel einfach bei uns, ja? Und ansonsten laufen wir uns bestimmt hier häufig über den Weg. Leb dich erst einmal ein. Bis bald.«
»Bis dann, und vielen Dank!«, rief Katharina den beiden nach, die bereits auf dem Weg nach draußen waren, während sie selbst den Wohnungsschlüssel aus der Jacke zog und ihre Wohnung ansteuerte. Allen Startschwierigkeiten zum Trotz – die Entscheidung, nach Lüneburg zu gehen, war richtig gewesen, da war Katharina sich inzwischen sicher. Und die fröhliche Juliane mit ihrer offenen Art hatte ihr neuen Mut gegeben. In dieser Nachbarschaft würde sie sich sicher wohlfühlen können.
In der Wohnung angekommen, kramte sie aus den immer noch unausgepackten Kartons die benötigten Unterlagen hervor und machte sich – bepackt mit ein paar Büchern und Ordnern –
Weitere Kostenlose Bücher