Blutheide
was: Wenn Sie einen Augenblick Geduld haben, dann mixe ich Ihnen noch Ihr Getränk und bringe es Ihnen dann persönlich hoch.«
»Ach, ist es tatsächlich schon so spät? Na ja, dann bedank ich mich jetzt schon ganz besonders bei Ihnen. Kommen Sie einfach in die Suite. Die Tür wird offen sein.« Mit diesen Worten legte er auf und sein Lächeln wurde noch breiter.
Noch einmal öffnete er die Minibar, holte ein weiteres Fläschchen heraus – diesmal Whisky – und schüttete ihn über der Alten aus. Dann riss er den beschriebenen Zettel vom Block, platzierte ihn bei der Toten und holte behände seine Kamera aus dem Rucksack hervor. Als Nächstes schoss er seine üblichen Bilder von der Leiche und verließ, nachdem er das Licht ausgeschaltet hatte und ohne die Alte eines weiteren Blickes zu würdigen, Zimmer 121. Die Schlüsselkarte ließ er im Stromnetz stecken und die Tür angelehnt.
00.13 Uhr
Katharina konnte noch immer nicht glauben, was sie sah. Bene ein Mörder? Schweiß trat ihr aus allen Poren und sie hatte Mühe, still zu bleiben. Was sollte sie jetzt tun? Bevor sie sich zu einem nächsten Schritt entschließen konnte, spürte sie einen heftigen Schlag an der Schläfe und ging zu Boden. Benommen fühlte sie mit der Hand ihren Kopf und öffnete die Augen. Sie lag in ihrem Wohnzimmer auf dem Fußboden … Wenige Sekunden später wurde Katharina die Situation klar: Sie hatte geträumt! Bei der Durchsicht ihrer Unterlagen musste sie, an die geöffnete Balkontür gelehnt, eingeschlafen sein. Im Schlaf und mitten in dem unruhigen Traum war sie wohl zur Seite gerutscht und mit dem Kopf auf den Rahmen der Balkontür geknallt. Die Beule, die sich bereits an ihrer Schläfe ertasten ließ, bestätigte ihre Vermutung. Sie taumelte, immer noch leicht benommen und vor allem verwirrt, ins Bad und spritzte sich reichlich eiskaltes Wasser ins Gesicht. Als sie sich wieder klar bei Verstand fühlte, sah sie in den Spiegel über dem Waschbecken. Die Beule war zwar erkennbar, aber nicht dramatisch. Sie zog den dünnen Bademantel zurecht, der im Schlaf verrutscht war, und ging zurück ins dunkle Wohnzimmer, in das nur ein wenig Licht von der Straße fiel. Als sie sich mit ihren Unterlagen dorthin gesetzt hatte, war es noch hell gewesen. Katharina schloss die Balkontür und schaltete das Licht im Raum ein. Ihre Unterlagen waren auf dem Fußboden verstreut. Sie hatte sich noch Notizen gemacht und dann hatte die vorhergehende Nacht ihr Recht gefordert und der Schlaf hatte sie übermannt. Aber dieser Traum – so etwas war ihr noch nie passiert! Natürlich, nach dem schlimmen Ereignis in München war sie auch immer wieder von Albträumen heimgesucht worden. Dann hatte sie Maximilians vor Gier verzerrte Fratze in ihrer Münchner Wohnung gesehen und Blut, viel Blut. Erst viele Sitzungen beim Polizeipsychologen hatten diese Träume eindämmen können und dennoch kamen sie ab und an wieder. Doch dieser Traum eben hatte am Ende von Bene gehandelt. Und von einem Ort, den sie bisher noch nie gesehen hatte. Dennoch war alles so realistisch gewesen … Wollte ihr Unterbewusstsein ihr etwas sagen? Sollte sie Bene tatsächlich als Täter in Betracht ziehen? Katharina schüttelte energisch den Kopf, als wollte sie sich selbst vom Gegenteil überzeugen. Das Profil, das sie erarbeitet hatte, passte überhaupt nicht auf Bene. Vermutlich war es eher so, dass sich in ihrem Traum alles vermischt hatte, was sie im Moment beschäftigte. Ihre Vergangenheit, ihr Neustart in Lüneburg, das Gefühl der Einsamkeit und vor allem der Fall … Und dass auch Bene dazugehörte, war spätestens seit der Geschichte mit dem Ranzen, der für ihn abgegeben worden war, unbestritten. Aber als Täter – nein! Katharina weigerte sich innerlich, weiter darüber nachzugrübeln. Sie brauchte sicher dringend Schlaf, doch sie hatte Angst, erneut in diesen Traum hinein katapultiert zu werden, wenn sie sich jetzt hinlegte. Auch das kannte sie von den fürchterlichen Maximilian-Träumen. Und nach dem Schreck und dem kalten Wasser fühlte sie sich im Moment auch nicht besonders schläfrig. Sie raffte die Unterlagen und ihre Notizen vom Fußboden, legte alles auf das Sofa, schenkte sich einen Martini ein und setzte sich mit Notizblock und gezücktem Kugelschreiber auf das Sofa. Vorher schaute sie noch auf ihrem Handy nach, ob sie während sie geschlafen hatte, womöglich eine Nachricht erhalten hatte. Tatsächlich hatte ihr der Einsatzleiter etwa vor einer halben Stunde eine SMS
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