Blutheide
– ich weiß jetzt nicht, ob das irgendwie damit zu tun hat – aber Katharina hat mir vorhin eine SMS geschickt, die keinen Sinn ergeben hat, jedenfalls nicht für mich. Sie hat geschrieben, sie sei in einer Laubenkolonie …«
13.00 Uhr
Katharina schlug die Augen auf und wusste im ersten Moment nicht, wo sie war. Die Orientierung wurde noch dadurch erschwert, dass alles um sie herum dunkel war. Dann kam die Erinnerung wieder: Nachdem sie die Luke gefunden und langsam geöffnet hatte, hatte sie vorerst nur Dunkelheit gesehen, so wie jetzt. Sie hatte keine Taschenlampe dabei gehabt, doch dann hatte sie sich ein wenig zur Seite gelehnt, um zumindest ein wenig vom schummrigen Licht der Hütte in den Keller einzulassen. Wäre der Täter dort unten gewesen, hätte sie ihm damit Gelegenheit gegeben, sich zu wappnen, dessen war sie sich bewusst gewesen. Doch das Risiko war sie eingegangen – es war die einzige Chance, zu Laura zu gelangen, wenn die Kleine tatsächlich dort unten festgehalten wurde. Vorsichtig hatte sie daraufhin in den dunklen Raum gespäht, doch das, was sie gesehen hatte, war eher eine große Grube als ein Keller. Sie war etwa zwei Meter tief und fünf Meter lang, und zu Katharinas großer Erleichterung sprang ihr kein mordlustiger Serientäter entgegen. Die Grube war leer, bis auf einen zusammengeworfenen Kleiderhaufen und eine Plastiktüte in der einen Ecke und ein paar aufgeschichtete, weißlich schimmernde Latten in der anderen. Um besser sehen zu können, hatte sie die Luke bis zum Anschlag geöffnet, hatte jedoch immer noch niemanden dort unten ausmachen können. Auch Laura nicht. In der Zwischenzeit war Saalbach hinter sie getreten und hatte flüsternd gefragt: »Und?«
Mit dem Kopf über der Grube hatte sie in normaler Tonlage geantwortet: »Nichts! Da ist nichts. Nur ein Haufen Klamotten und Latten, oder so. Vielleicht sind die verrutscht und haben das Klopfgeräusch verursacht.«
Katharina hatte sich gerade wieder aufrichten wollen, als sie plötzlich eine Bewegung im Kleiderhaufen wahrgenommen hatte.
»Moment, da bewegt sich doch etwas … Laura?!«
Kaum hatte sie den Namen des Mädchens gerufen, war ein Kopf aus den Kleidern zum Vorschein gekommen, und Katharina hatte in ein vollkommen verschrecktes Mädchengesicht geblickt. Es war ohne Zweifel das von Laura. Noch einmal hatte sie »Laura!« gerufen und auch Saalbach rief laut: »Laura?« Doch während es bei Katharina ein Jubelschrei gewesen war, hatte der Ruf bei Saalbach eher wie eine Frage geklungen. Erneut hatte sie sich aufrichten wollen, um mit Schwung in die Grube zu springen, doch dann hatte sie einen dumpfen Schlag im Nacken gespürt, hatte das Gleichgewicht verloren und war in Zeitlupe kopfüber in die Grube gestürzt – so hatte sie es zumindest empfunden. Sie hatte noch gedacht: »Saalbach! Ich bin dem Täter genau in die Arme gelaufen!«, dann waren im wahrsten Sinne bei ihr die Lichter ausgegangen.
Katharina rieb sich die Schläfen und fühlte den Sand an ihren Händen. Die Knochen taten ihr weh, und sie hatte das Gefühl, sich kaum rühren zu können.
»Laura? Laura, bist du hier? Ich bin’s, Katharina, die Nachbarin von Leonie. Laura?«, fragte sie erneut in die Stille und lauschte. Sie bekam ein leises Wimmern zur Antwort, das von rechts zu kommen schien. Katharina robbte in die Richtung, bis ihre Hände Stoff fühlten. Sie betastete den Stoff, während sie sanft ins Dunkel sprach: »Laura, hier bin ich. Alles wird gut. Das verspreche ich dir. Ich hol uns hier raus! Kannst du sprechen?«
Wieder bekam sie nur das Wimmern zur Antwort. In Katharina überstürzten sich die Gedanken. Sie brauchte unbedingt Licht. Irgendwo musste sie doch ein Feuerzeug haben … da, da war es! Katharina zog es aus ihrer Hosentasche und ratschte mit ihrem Daumen am Rädchen entlang. Das Feuerzeug spuckte eine kleine Flamme aus, doch dann verlosch es sofort wieder. Mit Bestürzung musste Katharina daran denken, dass sie noch heute Morgen überlegt hatte, sich ein Neues zu kaufen, da sie schon am Abend zuvor bemerkt hatte, dass dieses hier fast leer war. Dann hatte sie es in der Hektik des Morgens jedoch vergessen. Ihr Handy fiel ihr ein. Sie ging davon aus, dass sie hier unten in diesem Loch kein Netz haben würde, aber es konnte Licht spenden. Katharina nestelte wieder in ihrer Hosentasche herum, doch da war nichts. Natürlich, da konnte auch nichts sein! Nach ihrer letzten SMS vor der Tür hatte sie das Handy nicht wie üblich in die
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