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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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sah Sam sich in dem freundlichen Zimmer um. »Ich kann nicht glauben …« Auf dem Kaminsims entdeckte sie gerahmte Fotografien, darüber ein steinernes Familienwappen. »Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«
    »Sonderbar.« Richard trat ans Fenster. »Wieso fragt sie uns nicht, was wir wollen? Warum lässt sie uns so bereitwillig herein?« Er schaute in den bewölkten Himmel. »Vielleicht wussten sie, dass wir kommen.«
    »Nun mach mal’nen Punkt.« Sie betrachtete die Bilder, auf denen wohl die Kinder und Enkel der Hausherren abgelichtet
waren. »Es sind alte Leute, sie freuen sich, Gesellschaft zu haben.«
    »Ich hoffe, ihr sprecht nicht von mir und Myrtle-Mae.« Die beiden fuhren herum. In der Tür stand ein alter Mann, der sich auf einen Stock stützte. Sein Haar war weiß und voll, es gab ihm das Aussehen eines ergrauten Engels.
    »Ich bin Fred«, sagte er. »Willkommen. Hat Myrtle-Mae euch schon Tee angeboten?«
    »Sie war so freundlich.« Sam ging auf den Hausherrn zu und wollte ihm die Hand schütteln. Als habe er es nicht bemerkt, packte er den silbernen Knauf des Stockes mit beiden Händen.
    »Du hast uns durchschaut«, lächelte er. »Besucher sind selten bei uns, darum freuen wir uns besonders, wenn jemand vorbeikommt. Habt ihr euch verlaufen?«
    »Ehrlich gestanden …« Sie warf einen Blick zu Richard. »Wir sind Studenten und interessieren uns für alte schottische Bräuche. Und wir haben gehört …«
    »Was studiert ihr?« Er setzte sich in den Lehnstuhl, ohne den beiden einen Platz anzubieten.
    »Völkerkunde«, antwortete sie nach kurzem Zögern.
    »An welcher Uni?«
    Einen Moment war es still. »Glasgow«, sagte Sam aufs Geratewohl. »Wir haben recherchiert, dass in dieser Gegend alte Bräuche der schottischen Urbevölkerung wiederbelebt wurden.«
    »Die Jünger Fortrius«, nickte er so selbstverständlich, als wüsste das jedes Kind.
    »Ja«, rief Sam. »Können Sie uns mehr dazu sagen?«
    »Natürlich. Wir sind die Jünger von Fortriu.«
    »Sie … Sie sind …?!« Sam blieb die Spucke weg.
    »Haben wir vor ein paar Tagen nicht schon miteinander telefoniert?
« Der alte Mann blieb freundlich und doch nahm Sam plötzlich etwas Stechendes in seinem Blick wahr. Als er den Stock beiseitestellte, entdeckte sie, dass der Silberknauf die Form eines Kopfes hatte.
    »Telefoniert?«, fragte sie unsicher.
    »Der Anruf kam nicht aus Glasgow, sondern von einer Londoner Nummer.« Er beugte sich vor. »Euer Interesse muss ziemlich groß sein, wenn ihr den weiten Weg in den Norden gemacht habt.«
    »Sie sagten am Telefon, die Jünger seien eine rein männliche Vereinigung«, erwiderte Sam. »Wieso können Sie nun doch mit mir sprechen?«
    »Liebes Kind, hier rufen oft die verrücktesten Leute an«, seufzte er. »Spinner, die sich irgendwelchen okkulten Hokuspokus von uns versprechen. Am Telefon gebe ich grundsätzlich keine Auskunft.« Er wandte den Blick zu Richard. »Jetzt zu dir, mein Junge: Was soll die Aufmachung? Bist du auch so ein Verrückter, der hier anklopft, um phantastisches Zeug zu hören?«
    »Ich leide bloß unter einer Allergie.« Richard wechselte einen Blick mit Samantha. »Wo sind die wirklichen Jünger Fortrius?«
    »Na, wir sind das!« Mit einem Silbertablett kam Myrtle-Mae zurück. »Liebling, könntest du bitte den Tisch …«
    »Vor meiner Pensionierung war ich Historiker.« Fred stand auf und räumte den Couchtisch ab. »Mein Spezialgebiet sind Ureinwohner, vor allem die Völker, die Schottland besiedelten, bevor Good Old Brittania alles unter seine Herrschaft brachte.«
    Währenddessen goss Myrtle-Mae den Tee in chinesisches Porzellan; die Tassen waren mit einem Drachenmotiv verziert. »Milch?«

    Sam schüttelte den Kopf. »Aber diese Bräuche, die … grausamen Rituale der Pikten, wo werden die durchgeführt?«
    »Bräuche? Riten?« Aufmerksam musterte er die Besucherin, die auf einer Ecke des Sofas Platz nahm. »Wovon redest du?«
    »Auf Ihrer Homepage wird erwähnt …« Sie stockte, da sie sich verraten hatte. Auf der Website der Jünger Fortrius hatte es keine Hinweise auf irgendwelche Rituale gegeben. Sams Wissen stammte aus dem Buch ihres Vaters und von seiner nächtlichen Erzählung. Sie nippte am Tee, um sich den Fehler nicht anmerken zu lassen.
    »Die Pikten waren ein wildes Volk«, nickte Fred. »Aber das muss man als normales Verhalten der damaligen Zeit betrachten. Selbst die ›zivilisierten‹ Römer kreuzigten ihre Verurteilten, zerschlugen ihre Gliedmaßen,

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