Blutherz - Wallner, M: Blutherz
zurück.
Irrsinniges Schaben, Sam schrie vor Anstrengung, dann ließ sie sich gegen die Wand sinken. »Hätte ich bloß diesen Kirschsaft, damit könnte ich …!« Erst wurde es still, darauf begann sie, haltlos zu lachen.
»Was ist?« Richard blieb stehen.
»Ich sitze am tiefsten Punkt des Hadrianswalles. Neben mir dämmern untote Leute vor sich hin. Ich stehe im Bann von Fortrius Macht und … und …« Sie hielt sich den Bauch vor Lachen. »Und überlege mir, wie ich an Kirschsaft rankomme! An Kirschsaft!« Sam lachte so wild und verzweifelt, dass das Keuchen und Murmeln hinter dem Gitter erneut anschwollen.
»Still, sei still, das führt zu nichts.« Er ging in die Hocke und
umfasste sie mit beiden Armen. »Die zwei Alten können unmöglich wissen, wo der Barhyaghtar-Strauch wächst. Solange ich denken kann, hat Papa mir gesagt, der Aufenthaltsort der Kirsche sei verloren gegangen. Niemand weiß ihn, außer …«
»Ja?« Seine Berührung tat ihr gut.
»Niemand außer Fortriu selbst.«
»Na toll.« Sie kuschelte sich an den Vampir. »Fragen wir ihn doch einfach. Hallo, Mr Fortriu?«, rief sie, als spräche sie in ein Telefon. »Wie geht’s? Schönes Wetter heute. Wären Sie so nett, uns zu sagen, wo die Barhyaghtar-Kirsche wächst? Wir wollen Marmelade daraus machen. Na prima, besten Dank und auf Wiederhören!« Aus Sams verzweifeltem Gekicher wurde ein Weinen, die Tränen rannen ihr übers Gesicht und machten Richards Mantel nass. »Ein armes Land«, flüsterte sie. » Ein armes Land besitzt großen Reichtum. Was könnte Myrtle-Mae gemeint haben?«
»Gar nichts. Weil sie nichts weiß.«
»Die ärmsten Länder liegen in Afrika.« Sam ließ sich nicht beirren. » In den Bergen trinkt man Kräuterlikör. Wo gibt es Berge in Afrika? Vielleicht hat sie Südamerika gemeint, vielleicht das Anden-Gebirge? Dort sind die Leute auch ziemlich arm.« Sie fuhr sich übers Gesicht. »Allerdings habe ich noch nie gehört, dass man in den Anden …«
»… Kräuterlikör trinkt«, ergänzte Richard.
Sie schwiegen, aber Sam spürte, er dachte nach. »Was überlegst du?«
»Nichts.« Er strich über ihr Haar.
»Sag schon.«
»Es ist … zu unwahrscheinlich.«
»Jetzt sag aber!« Sie befreite sich aus seinem Arm und kam auf die Knie. Obwohl sie nicht das Geringste sah, starrte sie dorthin, wo sie sein Gesicht vermutete.
»Ich kann nicht glauben, dass Myrtle-Mae die Alte Heimat gemeint hat.«
»Alte Heimat, hä?«
»Hast du nie auch nur ein einziges Vampirbuch gelesen?«, fragte er ungläubig.
»Das war mir immer zu blöd. Wusste doch jeder, dass da bloß Quatsch drinsteht.«
»Quatsch oder nicht, laut Bram Stoker stammen die ersten Vampire aus dem Alten Land. Das Gebiet, in dem Drakula herrschte. Die Walachei.«
»Walachei?« Sie rutschte noch näher heran. »Hab ich auch noch nie gehört.«
»Heute heißt es anders. Heute gehört es sogar zu uns.«
»Was denn, die Walachei gehört zu Großbritannien?«
»Nicht so.« Sein Finger tippte auf ihre Nase. »Was ist 2007 geschehen?«
»Keine Ahnung, Herr Lehrer.« Sie stieß ihn in die Rippen. »Willst du mich so lange auf die Folter spannen, bis Teddie da ist?«
»2007 ist Rumänien der Europäischen Union beigetreten.«
»Na klar. Rumänien und Polen und die Tschechen und … und noch ein paar andere«, sagte sie, da sie in Politik nicht besonders beschlagen war.
»2007 war Sibiu sogar Europäische Kulturhauptstadt.«
»Ja, schön, Sibiu, na und? Was hat das mit unserer Kirsche zu tun?!«
»Sibiu hieß früher Hermannstadt . Es liegt in den Südkarpaten. Es ist die Hauptstadt des früheren … Transsylvanien.«
Sam spürte, wie ihr Herz schneller schlug. »Transsylvanien?«
»Trotz aller Modernisierung ist Rumänien noch immer ein
armes Land. Es wird von hohen Bergen durchzogen. Und in den Bergen gibt es eine einheimische Spezialität, die seit Jahrhunderten nur dort hergestellt wird.«
»Kräuterlikör«, flüsterte sie.
»Ein dunkler, schwerer Likör.« Er räusperte sich. »Rund um Sibiu ist das alte Land, die Alte Heimat.«
Sie schwiegen eine ganze Weile. Sie hielten sich ängstlich umfasst.
»Wenn wir hier rauskönnten …«, begann Sam schließlich. »Wüssten wir … vielleicht, wo wir suchen müssten.«
Er schwieg weiterhin. Auch Sam konnte nicht recht daran glauben, dass ihnen in ihrer ausweglosen Situation ein rettender Gedanke gekommen sein sollte.
»Das nützt ja nichts«, sagte sie dumpf. »Meine Feile hat gegen die Eisenstäbe keine
Weitere Kostenlose Bücher