Blutherz - Wallner, M: Blutherz
Chance.«
Er sagte weiterhin nichts, doch sie spürte, wie er unruhig die Arme bewegte.
»Was ist? Willst du dich vielleicht mal dazu äußern?«
»Ich habe das Gelübde abgelegt«, murmelte er. »Ich darf es nicht brechen.«
»Was für ein Gelübde?«
»Ich habe geschworen, mich niemals meiner speziellen Vampirkräfte zu bedienen.«
»Das ist ja wunderbar heldenhaft von dir«, antwortete sie. »Aber welche speziellen Kräfte hat denn ein Vampir wie du?«
»Ich könnte … Nein!« Unvermittelt kam er hoch und nahm seinen Gang wieder auf.
»Dickie, du machst mich wahnsinnig! Was könntest du?« Kein Wort von ihm. Fünf Schritte hin, fünf wieder zurück. »Wieso weißt du eigentlich, wie weit du gehen kannst, ohne dir den Kopf an der Mauer anzurennen?«
»Ultraschall«, lautete die nüchterne Antwort.
»Wie bitte?«
»Ich mache das im Dunkeln ganz automatisch.« Er ging weiter. »Ich sende Ultraschallwellen aus, und durch das Echo weiß ich, wo das nächste Hindernis ist.«
»So wie Fledermäuse?« Sie traute ihren Ohren nicht.
»Nein. So wie Vampire es machen. Hast du dir Teddies Ohren mal näher angesehen?«
»Seine Ohren … nein, ich war zu sehr mit seinen Lippen beschäftigt.«
»Wir haben da so Rillen drin, die das Echo eines Hindernisses verstärken. Wir können auch UV-Licht sehen. Und wenn wir in dunkler Nacht fliegen, orientieren wir uns an den Linien des Erdmagnetfeldes.«
»Du könntest also wirklich fliegen?«
»Ich hab es seit Ewigkeiten nicht mehr gemacht.«
»Aber du könntest!«
»Ich schwor, es nie wieder zu tun.«
Sam stand auf. »Sag mal, tickst du noch richtig?« Sie hielt sich den Bauch, in dem es wieder zu rumoren begann. »In Kürze kommen die hier runter, um uns umzubringen, und du überlegst, ob du deine kindischen Schwüre brechen darfst?!«
Sie hörte, wie er vor Anspannung keuchte und die Arme bewegte.
»Na los, sei ein Vampir!«, schrie sie. »Verwandle dich!«
»Es geht ja gar nich.«, antwortete er kleinlaut.
»Wieso?«
»Ich bin zu schwach. Die Wirkung der Blutspeisung hat nachgelassen.«
»Wenn’s nur daran liegt, dagegen weiß ich ein Mittel.« Sie kramte in ihrem Rucksack und fand das Gesuchte. Im nächsten
Moment klatschte ein weicher Gegenstand an Richards Brust. »Bitte sehr. Das ist mein letzter. Wohl bekomm’s.«
»Ich kann nicht. Sonst werde ich wieder abhängig von dem Zeug!«
»Runter damit!«
Fast gerieten sie in eine Rangelei; Sam wollte den Beutel aufreißen, er suchte, ihn vor ihr zu schützen.
»Also gut!« Widerstrebend nahm er ihn an sich. »Aber bitte halte dir die Ohren zu.«
»Du bist das schlimmste Sensibelchen, das ich kenne.« Sie steckte zwei Finger in die Ohren. »Erledigt! Ich höre nichts.«
Samantha schummelte. Wie aus der Ferne hörte sie, wie der Verschluss des Beutels aufriss, wie Richard ihn ansetzte und den ersten angewiderten Schluck nahm. Sie hörte, wie er hastiger, gieriger trank und den Beutel schließlich mit tierischen Lauten leerte.
»Wie ich das hasse.« Er warf die leere Verpackung in die Ecke.
»Geht’s besser?«
»Ja klar.« Er rülpste. »Klar geht es besser. Aber ich hasse mich dafür.«
»Das kannst du später machen.« Sie klopfte ihm auf die Schulter. »Jetzt heißt es: Manege frei für den ersten Rundflug meiner ganz persönlichen Fledermaus.«
»Mach dich nur lustig.«
»Würd ich nie tun. Bloß draußen wird es bestimmt schon dunkel, also beeil dich.«
Er zog sich in die hinterste Ecke zurück. Sam vernahm ein Geräusch, das sich wie das Klatschen bei einer Schlammschlacht anhörte. »Beginnst du schon? Moment! Wenn du eine Fledermaus geworden bist, kannst du mich dann überhaupt noch verstehen?«
»Klar und deutlich«, keuchte er. »Und jetzt halt die Klappe, ich muss mich konzentrieren.«
Ein anschwellendes Schaben, etwas scheuerte, schlang und wand sich, als ob in einem Brei gewühlt würde. Dann hörte es sich an wie etwas, das auftauchte. Ein versuchter Schrei, doch kein Laut kam aus seiner Kehle. Stumm, mundlos und blind schrie es, als wäre es nur ein Wollen. Jetzt schlug es, zappelte auf dem Boden, bäumte sich auf, schlug flach und hell auf den Grund. Aus der Dunkelheit drang ein saugendes Röcheln, etwas erhob sich, kratzte, wischte flappend die Wände entlang. Sam wagte sich einen Schritt näher – und wurde vom Atem des Geschöpfes gestreift. Es öffnete die glühenden Augen und erhob sich vor Samantha in die Luft. Sie streckte die Hand aus, fühlte eine pelzige Brust und
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