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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gegend sein, vielleicht im Gebirge … aber wo sollte man ihn da suchen, in einem Urwald, in dem zwei Meter Zwischenraum schon neue Geheimnisse verbargen?
    Als der junge Chirurg in Horni Vltavice ankam, im Wagen alles, was man zu einer Notoperation brauchte, sogar Blutersatz hatte er mitgebracht, senkte sich schon die Abenddämmerung über den Böhmerwald. Seit vier Stunden warteten die Männer auf den Kurier Pilnys. Der Sender schwieg. Was bedeutete das? Hatten die Russen ihn entdeckt? War Pilny verhaftet? Warum traf der Kurier nicht ein?
    Statt dessen kamen von der Grenze neue Meldungen.
    Eine ganze Panzerdivision der Sowjets hatte sich in den Wäldern eingenistet. Sie bauten Zeltstädte auf, richteten sich offensichtlich auf eine längere Besatzung ein, zogen Drahtverhaue um ihre Lager und tauchten unter in den wilden Schluchten und Bergen. Panzer fuhren seitlich der Grenzstraßen auf und beobachteten jede Bewegung. Die tschechischen Zollstationen standen unter russischem Befehl, ihre Telefone wurden überwacht.
    »Er muß mit seinem Sender mitten drin sein!« sagte der Bürgermeister und starrte mit dem Abteilungsleiter der ›Civilni obrana‹ auf die Gebietskarte vor sich. »Die Sowjets haben den Kurier abgefangen, ganz sicher! Doch wo sollen wir nun suchen? Eher finden Sie einen Knopf in einem Roggenfeld! Da hat man wenigstens ein Gebiet, das man überblicken kann. Aber hier … hier weinen ja die Füchse, wenn sie sich verlaufen! Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu warten.«
    So wurde es Nacht, eine Nacht, die Irena dank der Spritze Lobotkins durchschlief, bewacht von Muratow, der neben ihr saß und sie unentwegt ansah wie einen Engel.
    In Prag schob Oberst Tschernowskij die Zusammenstellung seiner Funküberwachung über den Tisch zu Valentina Kysaskaja. Es waren mehrere große, eng betippte Blätter, und eine Meldung war rot umrandet, ein roter Kasten wie ein Flecken herausgeschnittenes Fleisch. »Lesen Sie –« sagte er. »Ihr Liebhaber ist schwer verwundet. Er stirbt. Ihre Prager Liebe verblutet irgendwo in einer Ecke –«
    Valentinas Kopf senkte sich über die Papiere. Während sie die rotumrandete Meldung las – es war die Wiedergabe von Pilnys verzweifeltem Hilferuf nach einem Arzt – zeigte nichts an ihr, wie sehr die Worte sie erschütterten. Tschernowskij bewunderte sie. Welch einen Willen hat sie, dachte er. Auch wenn man sie in die Taiga verbannt … es dauert nicht lange, und die Wölfe werden sie lieben.
    »Das ist gefälscht«, sagte sie endlich und warf den Kopf zurück. Ihre schwarzen Augen glühten. »Mit diesen üblen Tricks wollen Sie mich mürbe machen, Andrej Mironowitsch.«
    »Wenn Sie es nicht glauben … ich kann Ihnen das Originaltonband mit Pilnys Stimme vorspielen lassen.« Er holte die Papiere wieder zu sich heran und las selbst noch einmal den Notruf. »Wo ist Raum C 56/21 FB?« fragte er plötzlich.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Jetzt lügen Sie, Valentina!«
    »Nein.« Sie umklammerte die Tischkante. Die Knöchel ihrer Finger waren weiß und und zuckten. »Wenn ich es wüßte, ich würde es Ihnen jetzt sagen, um Micha zu retten. Aber ich weiß es nicht … ich weiß es wirklich nicht …«
    Ihr Kopf sank auf den Tisch, die Haare fielen über ihr Gesicht wie eine schwarze Woge, und dann weinte sie.
    Sie weint, dachte Tschernowskij. Sie weint tatsächlich. Wer hätte das gedacht, daß sie überhaupt weinen kann? Wer hat das schon bei Valentina Kysaskaja gesehen? Sie kann richtige Tränen weinen …
    Mein Gott, wie verliebt muß sie sein …
    *
    Im Lager des 3. Bataillons hatte Irena wunschgemäß Fieber bekommen. Ihr Kopf summte wie ein riesiger Bienenschwarm, ihre Hände waren heiß und feucht, ihr Herz klopfte schmerzhaft. Muratow lief umher wie ein Halbverrückter, stieß den vor Freude glänzenden Lobotkin aus dem Zelt und faßte ihn an den Kragen.
    »Was hast du mit ihr gemacht, du Hund?« brüllte er und schüttelte den armen Sanitäter wie eine Kuhglocke. »Sag, was hast du getan? Sie hat ja wirklich Fieber!«
    »Meine Tropfen wirken, das ist alles. Haben Sie keine Angst, Semjon Alexejewitsch. Morgen ist alles vorbei. Sie wollten doch, daß Ihr goldenes Vögelchen …«
    »O Himmel, hätte ich doch keinen Schwachsinnigen zu Hilfe genommen.« Muratow stieß Lobotkin gegen einen Baum und rannte zurück ins Zelt.
    Irena lag, stoßweise atmend, auf dem Bett und hatte die Augen geschlossen. Vor ihr standen drei Offiziere, darunter der Kommandeur des 3. Bataillons, Major

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