Bluthochzeit in Prag
mit der knochigen Faust, und meistens gingen die Sowjetsoldaten schnell weiter, sehr nachdenklich, oft auch mit einem merkwürdigen, um Entschuldigung bettelnden stummen Blick.
Am 25. August klingelte es bei Frau Plachová an der Wohnungstür. Sie öffnete mit einem Ruck und prallte dann zurück. Ein eleganter, großer Herr mit graumelierten Haaren und höflichen Manieren – denn er verbeugte sich sofort, als er Frau Plachová sah – stand draußen, aber neben ihm sah Mutter Bozena jenes schwarzhaarige, teuflisch hübsche Mädchen, das einmal nach Karel Pilny gefragt hatte und ihm Grüße aus Paris mitbrachte.
Ein Gefühl der Abwehr erfaßte wieder Frau Plachová. Sie blieb in der Tür stehen und drückte das Kinn an.
»Was wollen Sie?« fauchte sie Valentina Kysaskaja an. »Woher sollen Sie dieses Mal Grüße bestellen?«
»Erlauben Sie, daß wir näher treten?« fragte Tschernowskij in einem sehr holprigen Tschechisch. Frau Plachová spürte, wie es sie kalt durchrann. Dieser Tonfall … sie hatte ihn in den letzten Tagen oft gehört, wenn die Menschen auf den Straßen mit den sowjetischen Besatzern diskutierten. So sprach nur ein Russe.
»Nein!« sagte sie laut mit pfeifendem Atem.
»Es ist wichtig.«
»Für mich nicht.« Sie funkelte Valentina mit einem Blick an, der voll Gift war. »Wer sind denn Sie?«
»Ich bin eine Freundin Karels, glauben Sie mir.« Valentinas Augen bettelten um Anerkennung. »Das hier ist Oberst Tschernowskij aus Moskau.«
»Aha!« Frau Plachová stockte der Atem. Ein russischer Oberst vor ihrer Wohnungstür! Es ging um Karel, dessen war sie ganz sicher. Man jagte ihn, und weil sie seine Wirtin war, wollte man sie jetzt verhören. »Ich lasse keinen Russen in meine Wohnung!« sagte sie mutig.
»Natürlich nicht.« Tschernowskij lächelte. »Darum habe ich Sie vorher auch gebeten, Madame. Ich war höflich … Sie zwingen mich nun, es nicht mehr zu sein. Es tut mir leid …«
Er schob Frau Plachová einfach zur Seite und betrat die Wohnung, Mutter Bozena stieß einen hellen Schrei aus, so, als habe sie ein Pferd auf die Zehen getreten, dann rannte sie hinter Tschernowskij her, packte ihn an der Jacke des englischen Maßanzugs und zerrte ihn von der Tür des Wohnzimmers fort.
Er löste mit einem Drehgriff die Finger Frau Plachovás von seinem Rock, ging ins Wohnzimmer und setzte sich in den Sessel ans Fenster. »Wo ist Karel Pilny?« fragte er.
»Weiß ich es?« Frau Plachová fuhr herum. Valentina stand an der Tür, den Kopf gesenkt. Tschernowskij hatte sie gezwungen, mitzufahren. Wenigstens glaubte er daran. Zuerst hatte sie sich geweigert, auch bei Androhung sofortiger Deportierung nach Sibirien … aber dann hatte bei ihr die Vernunft über den Trotz gesiegt. Vielleicht kann ich über Mutter Bozena Lucek und Pilny ein Zeichen geben, hatte sie gedacht. Es ist die einzige Möglichkeit, aus dem Hotelgefängnis herauszukommen und eine Nachricht zu hinterlassen. Micha soll wissen, daß ich noch lebe … das wird ihn glücklich machen, auch wenn wir uns nie wiedersehen können. Sie zuckte zusammen, als Frau Plachová wie ein Habicht auf sie zustieß. »Und du?« zischte Mutter Bozena in das zuckende Gesicht Valentinas. »Was machst du Hure bei dem da? Immer dort sein, wo sich Brust und Unterleib gut verkaufen lassen, was? Und mir hat man erzählt, du seist die Braut von Lucek! Der arme, arme Junge! Kaum aus dem Blick, liegt sein Mädchen in russischen Betten! Geh aus meiner Wohnung, geh! Du stinkst –«
»Was sagt sie über Lucek?« fragte Tschernowskij, der aus dem Wortschwall nur dieses eine Wort klar verstanden hatte.
»Nichts.«
»Sie hat den Namen genannt!«
»Sie irren sich, Andrej Mironowitsch.«
Tschernowskij ballte die Fäuste und legte sie auf die Sessellehne. »Übersetzen Sie, Valentina«, sagte er hart. Er sah dabei auf die rötlich gestrichenen Dielen des Zimmers. »Und vergessen Sie kein Wort: Hier sitzt Oberst Tschernowskij. Er verlangt Auskunft über Pilny und Lucek. Wenn die Frau nicht sprechen will, werde ich sie mitnehmen und in meiner Dienststelle verhören. Es wird dann nicht mehr Rücksicht genommen. Bei einem Verhör des KGB hat noch jeder die Wahrheit gesagt. Erklären Sie das der Frau!«
Valentina übersetzte die Worte Tschernowskijs. Frau Plachová hörte unbeweglich zu, bis zu dem Teil, wo vom Verhör bei den Russen die Rede war. Da hoben sich ihre Augenbrauen, sie nickte mehrmals stumm und verließ das Zimmer.
»Wo will sie hin?« fragte
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