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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Lucek auf den Boden. »Ich habe sie weggeschickt, Hilfe zu holen. In der Nacht warf ein Hubschrauber diese Kisten und Säcke ab. Ist Irena durchgekommen und hat die Armee alarmiert? War es mein Funkspruch? – Ich weiß es nicht. Um uns herum liegen Russen … wir leben in einem von den Sowjets besetzten Waldstück. Es ist furchtbar, wenn ich an Irena denke –«
    Lucek schloß die Augen. Er dachte an Miroslava, an die glücklichen Tage in der alten Villa, an seinen Traum von einer Privatklinik, einem Garten, drei oder vier Kindern und dem immerwährenden Glück in Miroslavas Armen. Das war nun alles wie eine Fieberphantasie. In einem Urwald lag er, in einem Fleckchen Sonne, und aus dem Drain der Brustwunde tropften seine Kraft und das Leben davon.
    »Karel –«, sagte er plötzlich. Pilny hob den Kopf.
    »Ja, Micha?«
    »Du bist mein Freund …«
    »Red nicht so blöd, Micha!«
    »Tust du mir einen Gefallen?«
    »Es kommt darauf an …« antwortete Pilny vorsichtig.
    »In der Kiste mit den Medikamenten liegt auch Morphium. Zieh eine 10-ccm-Spritze voll auf und gib sie mir.«
    »Wie kannst du bloß solche einen Unsinn verlangen, Micha.«
    »Bitte, Karel –«
    »Und wenn du dich auf den Kopf stellst … nein!«
    »Es hat doch keinen Sinn mehr.«
    »Wer sagt denn das?«
    »Junge, ich bin Mediziner. Ich kenne meinen Zustand. Ich weiß, wie es weitergeht. Wenn man das abkürzen kann … das Furchtbare, was noch kommt … das ist eine Gnade, Karel, das ist ein Geschenk … Sei mein Freund … laß mich nicht jämmerlich krepieren …«
    »Verdammt, du krepierst nicht!« schrie Pilny und sprang auf. »Du lebst weiter wie ich auch! Daß du so etwas überhaupt denken kannst, Micha! Wo ist der tapfere Lucek geblieben, der Anführer der Prager Studenten, der Feuerkopf?«
    »Bei Miroslava …« Lucek wandte den Kopf zur Seite. »Sie lebt nicht mehr … ich spüre es … und ich habe sie getötet … Meine Welt ist zusammengebrochen.«
    »Mit 24 Jahren! Idiot! Ich werde dir Morphium geben, aber nur so viel, daß du die Schmerzen nicht mehr spürst, – und kein Kubik mehr.«
    Pilny ging zurück zur Höhle und zog eine Spritze auf.
    »Wirst du denn nicht verrückt, wenn du an Irena denkst?« fragte er, während Pilny das Morphium aus der Spritze drückte.
    »Ja«, sagte Pilny heiser.
    »Warum zerschlägst du nicht die Funkeinrichtung und gehst raus aus dem Wald?«
    Pilny warf die Einwegspritze weg. »Das ist nicht mehr möglich, Micha. Die Sowjets würden mich erschlagen wie einen tollen Hund.«
    »Wegen deines Freiheitssenders? Das glaube ich nicht …«
    »Nein, deswegen nicht. Aber ich habe einen Russen getötet … er liegt nebenan in einer der kleinen Höhlen.«
    Lucek fielen die Augen zu, das Morphium wirkte, sein Gesicht entspannte sich. Der Segen der Schmerzlosigkeit glitt über ihn.
    Am späten Nachmittag, im Glanz der purpurn untergehenden Sonne, knatterte wieder ein Hubschrauber über dem Wald. Pilny beobachtete ihn am Rande des Windbruches, im Schutze des domhohen Blätterdaches.
    Es war ein sowjetischer Hubschrauber, und er kreiste über den Bäumen, flog weiter, kam zurück und war wie ein riesiger Raubvogel, bereit, auf die Beute niederzustoßen.
    In diesen Minuten war Pilny froh, die Fallschirme aus den Ästen geholt zu haben. Der Wald war unergründlich wie vor hundert Jahren.
    *
    Als Pilny mit Irena ins Erzgebirge fuhr, um nachzuforschen, ob wirklich jenseits der Grenze große Truppenansammlungen in den Wäldern lagen, hatte die Zimmerwirtin Abschied genommen, als würde sie ihren Karel nie mehr wiedersehen.
    Dann überfielen die sowjetischen Armeen das Land, und die dunklen Ahnungen von Frau Plachová erfüllten sich. Sie hatte Karel wie ihren eigenen Sohn geliebt, und so trauerte sie jetzt auch um ihn, obgleich er noch lebte und seine Stimme über den Freiheitssender zu ihr sprach.
    »Er wird nie wiederkommen!« klagte Mutter Bozena, wenn sie allein in ihrer Küche saß und Wein, Kognak oder Likör trank, was gerade greifbar war, um ihren Kummer zu ertränken. Sie putzte die beiden neu eingerichteten Zimmer, und wenn sie in die Stadt ging und einem sowjetischen Soldaten begegnete, blieb sie stehen und schrie den erschrockenen Jungen in der fremden Uniform laut an:
    »Was willst du hier, du Satan? Seid ihr dabei, die Ordnung der Welt zu zerstören? Erst habe ich meinen Mann und meinen Sohn verloren, jetzt nehmt ihr mir auch noch meinen neuen Sohn und mein Töchterchen! Oh, ihr Teufel, Teufel!«
    Sie drohte

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