Bluthochzeit in Prag
durchsichtigen violettroten Gespinst, ihre Brüste, den Leib, die Hüften, die langen schlanken Beine, eine Elfe, mit der Sonnenglut bekleidet, und er knüllte das Wäschestück zusammen, preßte es gegen sein Gesicht und ertrank fast in dem Duft und der Weichheit des Stoffes.
Bis zum Morgen blieb Tschernowskij in Valentinas Zimmer. Er schlief nicht … er lag auf dem Rücken, hatte den Pyjama der Kysaskaja an sich gedrückt und starrte an die Decke.
Eine Stunde später staunte die ganze Dienststelle.
Tschernowskij erschien in Uniform. Kalt, wortkarg, mit versteinertem Gesicht las er die neuesten Meldungen seiner 200 Agenten. Die Eleganz seiner Bewegungen war einer militärischen Eckigkeit gewichen. Selbst die ältesten Mitarbeiter konnten sich nicht besinnen, Tschernowskij in dieser Art gesehen zu haben.
Aus den Augenwinkeln beobachtete er jeden. Er bemerkte ihr Staunen, er registrierte ihr Rätselraten um seine verwandelte Person.
Was wißt ihr Schwachköpfe, dachte er, wie eine Nacht einen Mann verändern kann! Wenn ein Teil seines Herzens abstirbt, sieht er anders aus, das ist nun mal so, Genossen. Der große Oberst Tschernowskij ist zerbrochen an einer kleinen Frau … Ihr sollt das nie erfahren, dafür werdet ihr einen neuen Tschernowskij fürchten lernen.
Um 9 Uhr früh lag eine Meldung von Duloban, dem Mongolen, auf seinem Schreibtisch. Sie war kurz und paßte zu allem, was in den letzten Stunden geschehen war.
»Verhöre abgebrochen. Die Verhafteten können keine Auskunft geben. Sie wissen wirklich nichts.«
Tschernowskij zerriß die Meldung und warf sie in den Papierkorb.
Er kam sich wie ausgesetzt vor … allein in der Eiswüste der Taiga, beraubt und weggeworfen. Ihm war so elend, daß er hinauf in sein Zimmer ging und sich dort wieder einschloß.
*
Irenas Plan, noch in der Nacht in die Wälder zu gehen und den Durchbruch zu Karel Pilny zu versuchen, wurde durch einen unerwarteten Besuch gefährdet. Am Abend hatte Irena schon das Nötigste in einen Rucksack gepackt, den ihr der Pfarrer gab, da erschien noch einmal Leutnant Muratow. Er glänzte vor Freude, umarmte Irena, ehe sie ihm ausweichen konnte, und drückte sie an sich.
»Du kannst wieder laufen!« rief er. »Das Fieber ist weg! Du bist gesund! Welche Freude.« Er merkte nicht Irenas Ablehnung, sondern setzte sich ungeniert auf die Bettkante. Der Pfarrer steckte kurz den Kopf zur Tür herein und hob die Schultern.
»Ich konnte ihn nicht aufhalten«, sagte er. »Er hat mich zur Seite gewalzt wie seine Panzer. Um 23 Uhr wartet der Wagen hinter der Schule. Man wird dich bei der ersten Sperre absetzen. Aber es ist Wahnsinn. So etwas ist eine Versuchung Gottes. Ich sage dir noch einmal: Bleib hier!«
Irena schüttelte den Kopf. Leutnant Muratow, der kein Wort der tschechischen Unterhaltung verstand, wickelte eine kleine abgegriffene Handikone aus. Etwas verlegen stellte er sie auf den Nachttisch.
»Sie ist von Mamuschka«, sagte er. »Sie hat mir die Ikone mitgegeben, als ich zum Militär ging. Sie glaubt noch an Gott, an die Mutter Maria und an die Engel. Ich nicht mehr. Aber ich schleppe die Ikone mit mir herum, weil sie von Mamuschka ist. Gefällt sie dir?«
»Sehr.« Irena nahm die alte Holztafel in die Hand.
»Ich schenke sie dir«, sagte Muratow.
Irena stellte die kleine Ikone schnell auf den Tisch zurück.
»Das geht nicht. Sie gehört Ihnen. Ihre Mutter hat sie Ihnen mitgegeben.«
»Mamuschka würde die Ikone auch dir geben, wenn sie dich kennen würde. Ich weiß, daß sie dich lieben wird. Heute morgen habe ich an sie geschrieben und von dir erzählt. Es ist der schönste Brief, den Mamuschka je von mir bekommen wird.«
Was soll ich tun, dachte Irena, während sie sich an den Spiegel stellte und die Haare ordnete, nur um Muratow nicht in die glückstrahlenden Augen blicken zu müssen. Wie soll das enden? Soll ich ihm sagen: Geh, mein Junge. Ich weiß, daß du mich liebst … aber dort draußen, in der Wildnis des Waldes, gar nicht so weit entfernt von deinem Zelt, lebt der einzige Mann, den ich liebe? Du bist ein so netter Kerl, Leutnant Muratow, aber zwischen uns liegt eine unüberbrückbare Schlucht.
Muratow beobachtete Irena, wie sie sich kämmte. Ihr blondes Haar glänzte im Lampenlicht wie chinesische Seide.
»Ich habe noch nie ein Mädchen gesehen wie dich«, sagte er. »Wollen wir heute abend ausgehen?«
»Nein.«
»Ich habe Urlaub bekommen für eine Nacht. Ich habe den Major angefleht. Er hat mich einen Hund
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