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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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vorigen Jahr ebenfalls erste Früchte getragen. Cees’ Freunde hatten neue Bekanntschaften vermittelt, die sich im wahrsten Sinne des Wortes auszahlten. Dieses Jahr hatte sie die letzte Flasche des 70er Ruländers und den 71er Mousseux verkauft, das Jahr zuvor den Rest des 70er Jahrgangs. Von 70, 71 und 72 hatte sie jetzt Verschnittweine, und viel subtiler als sie hantierten auch die Champenois in Épernay und Reims nicht damit. Auf bald fünfhundert Flaschen belief sich dieses Jahr die zur zweiten Gärung angesetzte Menge. Ein Quantum, das ein zweites Sprossengestell erforderlich machte und ihr eindringlich vor Augen führte, dass damit ihre Kellerkapazität restlos ausgeschöpft war. Ein zweiter Keller musste im neuen Jahr also her – Barbara van Bergen war auf Expansionskurs!
    Eine kräftige Böe riss Barbara auf den gefrorenen Erdboden. Völlig außer Atem genoss sie die Kälte, die ihrem erhitzten Temperament nichts anhaben konnte. Sie blieb einfach liegen und starrte in die Schneeflocken, die aus dem tiefgrauen Himmel auf sie niederstürzten und ihr Gesicht und Zunge netzten. Durstig vom vielen Mousseux kratzte sie etwas Schnee zusammen und lutschte daran. Doch er machte nur noch mehr Durst, im Übrigen schmeckte er bitter.
    »Mein Mousseux, mon chevalier , schmeckt besser«, spottete sie. »Aber ich nehm’s Euch nicht übel, wenn Ihr den Schnee griesgrämig anhaucht. Schließlich ist er kalt und nass. Wenn’s mir die Flocken zwischen meinen Armen und Beinen so nackt durchwirbelte, glaubt Ihr, mir würde dies ein Lächeln entlocken?«
    Barbara blinzelte und nahm sich vor, so lange auszuhalten, bis die Kälte des Bodens an ihr hochkroch. Denn sich einschneien zu lassen, mit ausgebreiteten Armen und Beinen und dann aufzustehen, einen lustigen Abdruck müsste dies auf dem Boden hinterlassen.
    » Mon chevalier ?«, fragte sie. »Ihr wollt ins Paradies der Bäume zurück? Wisst Ihr, dass mich dies traurig macht?«
    Barbara lachte und pustete gegen die Flocken an. Ihr war ein Passus aus dem Buch Ephraim eingefallen, in welchem berichtet wird, dass Gott Adam und Eva vor der Vertreibung aus dem Paradies Kleider aus den Fellen der Bäume geschneidert hatte.
    »Zarter als Linnen, ja zarter als das königlichste Seidengewand soll sie sein, die Rinde der Paradiesbäume, mon chevalier «, flüsterte Barbara verschwörerisch. »Ihn so bekleidet zu sehen, dies wäre angenehm für mich. Denn Ihr müsst doch zugeben, mit Euerm eisenharten Panzer trotzt Ihr zwar Wind und Wetter, aber Eurer Freundin reißt Ihr damit die Hand blutig. Deshalb hab’ ich immer Angst, Euch zu umarmen! Vous comprenez ? Versteht Ihr?«
    Barbara stöhnte laut auf, züngelte lasziv in das immer dichtere Schneegestöber und erhob sich. Ein Frostschauer war ihr durch den Körper gefahren, und ein lautes Magenknurren erinnerte sie daran, dass sie noch nicht zu Mittag gegessen hatte. Morgen käme Bernward, und noch ein paar Bouteillen aus dem Keller zu holen, schien jetzt bestimmt nicht das Verkehrteste. Ihm ein, zwei Flaschen mitzugeben, die er in Freiburg mit einem Freund verkosten könnte, wäre ein zierlicher Auftakt. Zu Fasnacht könnte sie dann eine große Präsentation ausrichten!
    Im Keller angelangt, hatte sie ihren Chevalier de chêne längst wieder vergessen. Es war nicht mehr zu ändern, dass er immer weiter abstarb. Dieses Jahr hatte er ihr noch mehr nackte Äste entgegengestreckt als im vorigen. Es ging einfach zu Ende mit ihm.
    Niemand sah an diesem Silvesternachmittag, wie schwarz die Nässe von Stamm und Ästen tropfte und den Schnee braunrot färbte. Niemand hörte das unheimliche Heulen des Windes, das böse Stöhnen des Holzes und das schaurige Knacken seines uralten Gebeins. Und niemand roch die Fäulnis, die aus der Hauptgabelung wehte und den Schnee im Rund der Krone in ein bitteres Pulver verwandelte.
    2
    In Barbaras Stube tobte das Leben. Bereits am Nachmittag hatte manchen Kunden die Weinfeuchte derart den Geist durchnässt, dass es zu vernünftigen Gesprächen nicht mehr hinlangte. Von Knittelversigem wechselten einige schon zu Trinkliedern, während der andere Teil der Gesellschaft die vorgetragenen Bänkelgesänge bloß mit einem aufmunternden Lächeln oder befremdeten Kopfschütteln quittierte. Die derart gestraften Poeten fanden jedoch schnell Trost im Weinglas, und die grad so angestrengt ausgedachten Balladen entschwanden den benebelten Hirnen schneller, als die Teller am Buffet wieder aufgefüllt waren.
    Über ein

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