Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
heißt`s auch, dass selbst so einen trock’nen Knochen wie dich Barbaras Mousseux wieder biegsam macht.«
»Und wie!« Jens nickte gönnerhaft und kippte den schäbigen Rest einer Elblingflasche in sein Glas. »Ich spüre seine Wirkung, als hätt’ ich in einem Jungbrunnen gebadet.«
Dann begann er zu schwärmen und beschrieb Barbara spöttisch die verklärten Gesichter der Kostenden. Aber nicht ohne satirisch hinzuzusetzen, dass sich mit abnehmender Finanzkraft die Augen besonders heftig verdreht hätten.
»Und dann die Dispute, wonach er schmeckt, Barbara. Alles nur um des einen Zieles wegen: Gratis immer mehr trinken zu dürfen. Ganz ähnlich wie in der Geschichte von den Brüdern Kellermeister und Küfermeister.«
»Oh, erzähl sie schnell, Jens«, sagte Bernward und streichelte Barbaras Knie. »Mit nichts kann man sich bei Barbara besser entschuldigen als mit einer gelungenen Geschichte. So wie du gerade gespöttelt hast, müsste sie allerdings zwei Stunden lang sein!«
»Dann wär’ sie langweilig, mon cher «, entgegnete Barbara. »Da Jens zwei Kistchen gekauft hat, darf sie kürzer sein.«
»Das nenn’ ich generös, Barbara«, meinte Jens. »Und ich nehm’ Euch glatt noch zwei Kistchen Weißburgunder ab, wenn sie auf Zwergenlänge schrumpfen kann. Ist das ein Wort?«
»Und was für eins!«, rief Barbara. »Dafür könntet Ihr beinahe schon schweigen. Hab’ ich gut pariert?«
»Jeder Sophist müsste sich geschlagen geben«, erwiderte Jens anerkennend. »Aber wohl an, so trug sich’s einst zu im Neckarkloster Ebrach: Im Weinkeller war es kühl, draußen heiß, und alle Brüder waren durstig. Am durstigsten der Bruder Kellermeister und der Bruder Küfermeister, die sich sehr gut leiden konnten und für ihr Leben gern becherten. Dem Herrn war’n sie lieb, wie es so schön heißt, also spielte er seinen beiden Schäfchen einen Streich. Was trug sich zu? Bruder Kellermeister kam aufgeregt in die Werkstatt vom Bruder Küfermeister gerannt und erzählte mit schreckensbleicher Miene, der Wein sei verdorben. Bruder Küfermeister wollte es natürlich nicht glauben, machte sich aber schleunigst auf, um im kühlen Keller ein Becherchen zu kosten. Und tatsächlich, der Wein hatte einen merkwürdigen Beigeschmack. ‘Er schmeckt nach Eisen’, sagte er. ‘Als ob der Leibhaftige seinen Dreizack drin vergessen hat.’ ‘Nach Eisen?’ fragte Bruder Kellerrmeister erstaunt. ‘Nein! Nach Leder. Als ob eine Fegefeuerpeitsche ins Fass gefallen ist.’ ‘Du irrst, nach Eisen schmeckt der Wein’, erwiderte entrüstet Bruder Küfermeister. ‘Ja, glaubst du, ich wär’ geschmacksblind? Nach Leder schmeckt er. Nach nichts anderm!’ rief böse der Bruder Kellermeister. So stritten sie sich und wurden immer wütender. Niemand wollte dem anderen recht geben. Schnell waren sie vollkommen weinfeucht. Denn sie schlotzten und kauten, schmatzten und schlürften in einem zu. Irgendwann fielen sie schnarchend auf den Boden und wurden erst am Abend gefunden. Fast das gesamte Fass hatten sie ausgetrunken, und der Vater Abt ließ an Ort und Stelle ein derartiges Donnerwetter auf seine beiden schlafenden Mönchlein nieder, dass sie davon aufwachten. Noch vollkommen betrunken lallten sie bei ihm um Verzeihung, stürzten dann aber beide über ihre verqueren Füße, als der Vater Abt sie das Kreuz küssen ließ. Dabei prallten sie auf das hohle Fass, und siehe da: ein geheimnisvolles Klirren war zu hören. Vater Abt persönlich schaute in das Fass, und was entdeckte er? Am Boden lag ein Schlüssel an einer Lederschlaufe. Bruder Kellermeister und Bruder Küfermeister hatten beide richtig geschmeckt.«
»Dies war eine so süße Geschichte, dass ich Euch dafür das magere Dutzend Huster verzeih’!«, rief Barbara und sprang von Bernwards Schoß, was dieser mit missmutiger Unterlippe quittierte. »Und sie macht durstig!«
Für eine gute Weile verschwand sie im Keller. Ein paar Flaschen würde sie noch opfern müssen, dies hatte sie bei flüchtigem Umherblicken gemerkt. Stolz überflog sie in ihrem ledergebundenen Geschäftsbüchlein die am frühen Nachmittag abgeschlossenen Verträge. Immer wieder ergötzte sie sich an den zu liefernden Mengen und gönnte Bernward, der ihr heimlich gefolgt war, einen leidenschaftlichen Kuss.
»Weisst du, dass ein Keller etwas Sündhaftes an sich hat?«, flüsterte sie. »Und glaubst du, dass alle Brüder Kellermeister und Küfermeister auf der Welt nur Wein trinken, wenn sie ganz allein
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