Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
Litschgi meinte dies alles andere als aufrichtig, aber das Täubchen beschloss, ihren Geliebten nicht weiter zu reizen.
Barbara hatte sich mit Absicht im Hintergrund gehalten, denn es gleich zu Anfang mit so einem Kunden zu verderben, erschien ihr unklug. Außerdem, wenn niemand ihre Plackerei mit dem Korken ernstnahm, warum sich dann noch geistvoll anstrengende Antworten ausdenken? Das sollte Jens tun, den ein rasselnder Hustenanfall vom Konversieren abgehalten hatte, jetzt aber wieder mit Adleraugen nach Opfern seines Scharfsinns fahndete.
»Mit meinem Husten bin ich hier der rechte Fasnachtsdämon«, sagte er. »Wenn mir die Brust rasselt, ist das soviel wie Rätschen und Schellengetrommel auf einmal.«
»Dann fehlt immer noch der Reisigbesen oder Narrenstock«, erwiderte Johann Litschgi spöttisch.
»Ja, und springen müsst’ ich natürlich auch«, setzte Jens selbstironisch hinzu, »aber ich wette, ich schafft es mit meinem Husten immer noch ein Stück höher als Ihr.«
»Weil Ihr der größere Narr seid?« Das Täubchen kicherte und biss vergnügt in eine Gewürzgurke, was Bernward auf die Idee brachte, sich eine Maultasche und ein Stück Käse zu holen.
»Einen schweren Stand hab’ ich heut gegen die Frauen«, sagte Jens. »Schon Barbara hat mir klargemacht, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man vergnügt dichten konnte. ‘Weibersterben ist kein Verderben. Aber wenn der Gaul verreckt, bist du bis ins Mark erschreckt!’«
»Das nenn’ ich eine klare Einstellung, Jens«, rief Barbara empört. »Sich mit handtellergroßen Watschen an uns Frauen rächen, wenn wir euch nicht dauernd streicheln.«
»‘s liegt am Wein, Madame van Bergen«, sagte Johann Litschgis Täubchen. »Und Krankheit entschuldigt.«
»Wie generös von Ihnen, Madame«, sagte Jens jetzt sichtlich gekränkt. »Trotzdem will ich Euch eine Frage stellen: Wärt Ihr lieber reich wie einst der Fugger, oder hättet Ihr lieber meinen Husten?«
»Die Frage erscheint uns eigentlich zu dumm, um sie zu beantworten«, erwiderte Johann Litschgi. »Aber wenn’s sein muss, reich wie Fugger natürlich. Denn der konnt’ sich alles auf der Welt besorgen, und dies muss herrlich sein.«
»Richtig schön falsch«, triumphierte Jens, und seine Augen blitzten. »Von den Reichen muss nämlich jeder sterben, aber von denen, die meinen Husten haben, nur die Hälfte. Auf mein Wohl!«
Johann Litschgi, sein Täubchen und Barbara brachen in prustendes Gelächter aus. Man hob die Gläser, prostete Jens zu und bedauerte Bernward, dass er diese Parade nicht mitbekommen habe.
Versöhnt sagte Jens: »Im übrigen konnte selbst ein Fugger nicht alles erwerben. Das zeigt die Anekdote mit dem Bettler. Eines Tages wurde Fugger, als er aus dem Haus ging, von einem Bettler abgepasst und gefragt: `Wetten wir um einen Dukaten, dass ich mir etwas besorgen kann, was nicht einmal Jakob Fugger der Reiche erwerben kann?` Fugger war gut gelaunt und hielt dagegen, der Bettler triumphierte: `Dann besorgt Euch auf der Kanzlei den Bettelbrief!`«
»Jens, es ist nicht zum Aushalten mit Euren Geschichten«, rief Barbara. »Ihr solltet ein Buch schreiben!«
»Mit dem Titel: `Launige Unterhaltungen van Bergenscher Flaschengeister`!«, setzte Johann Litschgi hinzu. »Und so einen will ich jetzt aus einer Mousseux-Flasche fahren sehen!«
Johann Litschgi lud die Runde ein, und Barbara zog zum Spaß demonstrativ ihr Geschäftsbüchlein aus der Tasche, bevor sie in den Keller verschwand. Wieder zurück stöhnten alle auf, als hätten sie stundenlang gewartet, und nach dem ersten Schluck wurde Johann Litschgis Täubchen so vergnügt, dass sie ihrem Liebhaber einen unanständig feuchten Kuss in sein Ohr kräuselte.
Bis zum abendlichen Neun-Uhr-Läuten – auch Narrenläuten genannt, weil um diese Zeit die Männer aus dem Wirtshaus heimkehren sollten – hatte Barbara ihr Präsentationsfest angesetzt, aber einigen Gästen gefiel es so gut, dass sie bis gegen Mitternacht blieben. Nur Krümel, leere Schüsseln und ausgeschöpfte Terrinen blieben auf dem Buffet zurück. Barbara bekam so viel Gegeneinladungen, wie das Jahr Monate hatte. Und jeder versicherte ihr, dieses Fest dürfe sie getrost als glücklichstes Ereignis ansehen. Barbara van Bergen hatte jetzt einen Namen.
3
Die Alten hatten Stimmung gemacht, das Dorf wollte ein Spektakel, und die Fahnenberger Herrschaft hatte nichts dagegen – solange sie den Zehnten bekam. Jacob hatte es schriftlich. Es bedurfte also nur noch der van
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