Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
Bergenschen Einwilligung. Die Madame würde sich natürlich sträuben. Aber, Jacob streckte sich in seinem Bett, vielleicht ja auch nicht. Seit sie sich in ihren Kreisen als Meisterchampenoise feiern ließ, war sie ein ziemliches Stück bodenständiger geworden. Vom Geld und Erfolg abgehärtet. Streit ums Holz würde er mit ihr jedenfalls bestimmt nicht bekommen.
Jacob zog genüsslich an seiner Pfeife und schaute dem Rauch nach, wie er aus dem Fenster wirbelte. Der Breisacher Feinschnitt war besser als der Emmendinger, dafür aber auch um ein paar Kreuzer teurer. Doch sich auf die alten Tage diesen Luxus verbeißen zu wollen, kam für ihn nicht mehr in Frage – schließlich förderte das Tabaktrinken, wie es die Alten noch nannten, die Gesundheit, war gut gegen Wassersucht, weil der Rauch die feuchten Körperschleime austrocknete, und damit nebendrein das Beste gegen Lungenschlamm und Spuckhusten. Auch die kolikartigen Bauchkrämpfe, hatte Jacob beobachtet, waren durch den Tabakgenuss über die Monate immer weniger geworden. Auf die nächsten Jahre das Geld fürs Holz einsparen zu können, käme also nur seinem Wohlbefinden zugute. Und dafür konnte man morgen schon einmal die feine Madame in ihrem Haus aufsuchen.
Warum auch noch warten? Drei Wochen waren es ungefähr noch bis zur Lese. Mit dem Gipfeln war man fertig, und die Sonne hielt sich auch bedeckt. Alles andere war Schwärmerei. Wie ein gigantisches Skelett sah er doch aus, der Baum! Wie ein bizarrer, mit dem Stiel in die Erde gerammter Reisigwedel eines urzeitlichen Titanen! Nur vereinzelt kündete ein grüner Zweig, dass noch nicht alles Leben versiegt war. Bloß weg mit ihm, bevor Wind und Wetter den Schwamm ins Holz drückten. Man würde einen neuen pflanzen. Dies war nun mal der Lauf der Welt. Dem Tod ist nicht nur der Mensch unterworfen, auch ein Baum. Darum also fort mit dieser Holzruine. Wie ein Schandmal beherrschte sie den Eichberg. Ein hässliches und überlebtes Stück Natur, das einen nur auf unheimliche Gedanken führte. Die feine Madame konnte nichts dagegen haben.
4
Ob sie ihm etwas anbieten dürfe? Barbara bot Jacob ihre Konfektschachtel an und bat Riecke, etwas zu Trinken zu bringen. Es sei schön, dass er endlich einmal den Weg zu ihr gefunden habe, begann sie die Unterhaltung. Dass sie ihn im Morgenmantel empfange, bitte sie natürlich zu entschuldigen. Woher solle er auch wissen, dass sie um diese Zeit Toilette mache! Barbara spielte die feine Dame, die stolz die Unabhängigkeit ihres Standes repräsentierte. Ließ sich von Riecke ihr Mostglas auf einem Silbertablett reichen und naschte mit spitzen Fingern von den Karamelbonbons, die Jacob höflich zurückgewiesen hatte. Einem Mann seines Alters täte diese Süße nicht mehr gut, hatte er lächelnd gesagt, aber gegen ein Glas Most hätte er nichts einzuwenden.
Jacob hatte sich gut angezogen. Zwar nicht so fein, wie es für den Kirchgang nottat, aber doch so sorgfältig, dass die Madame gleich erkennen sollte, dass vor ihr ein anständiger, fleißiger und nicht auf jeden Kreuzer achtender Rebbauer saß. Es war ein Spiel, das sie miteinander trieben, und jeder hielt die Regeln ein. Denn natürlich kannten sie sich ja ganz anders, wussten genau, wie der andere im Schweiße seines Angesichts aussah und stank, wenn ein Arbeitstag in den Reben zu Ende gegangen war.
Jacob war zu klug, um nicht zu durchschauen, welche Rolle Barbara gerade spielte. Und er dachte sich seinen Teil. Gehörte für ihn zur Besonderheit seines Anliegens die nicht alltägliche Kleidung, gehörte es sich offensichtlich für die Madame, die Dame von Stand zur Schau zu stellen. Jacob wusste, dass ihm dies nur nutzen konnte.
»Ihrem Most spricht man gern zu, Madame«, sagte er anerkennend. »Wenn ich das meine, dürft Ihr´s gut glauben. Denn so einen Mosttrinker wie mich gibt’s sicher kein zweites Mal.«
Mit Genuss schnupperte er über das Glas und schnalzte kennerhaft nach einem großen Schluck des trüben, schwach moussierenden Getränks.
»Wenn Ihr dies sagt, muss es wirklich ein Kompliment sein«, erwiderte Barbara. »Aber dass er so gut ist, ist das Werk des Zufalls. Drei Apfelbäume und ein Speierling steh’n im Garten hinter’m Haus. Ich werf’ alles Obst immer ohne zu Überlegen in die Säcke. Dann geht’s zur Mosterei.«
»Dies ist bei uns nicht anders«, sagte Jacob. »Aber wir haben keinen Speierling mehr. Er ist uns vor ein paar Jahren eingegangen.«
»Aber sicher nicht durch Blitzschlag,
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