Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
oder?« erwiderte Barbara und versuchte, etwas spöttisch zu klingen.
»Nein, Madame!« Jacob lachte kurz auf, und ein dunkler Glanz schlich in seine Augen. »So alt war er nicht. Zuerst der Maulwurf, dann die Ameisen, das reicht. Er wollt’ nicht mehr, unser Speierling. Wie ein Greis, der sich nach dem Tod sehnt, weil ihm die Fäulnis von seinen offenen Beinen den restlichen Körper vergiftet. Da hab’ ich mir sozusagen einen Ruck gegeben.«
»‘s klingt gerade so, als hättet Ihr dem Baum den Gnadenstoß gegeben, weil er waidwund war«, entgegnete Barbara und schenkte Jacob Most nach. »Ich kann mich noch erinnern, dass Ihr auch anders über Bäume sprechen könnt!«
»Ich wollt’ Euch nicht ein zweites Mal verletzen«, sagte Jacob und lächelte verschmitzt. »Schließlich bin ich bei Euch zu Gast. Und da ich weiß, dass Ihr in dieser Hinsicht ein Herz haben, wollt’ ich gar nicht erst das Wort Holz oder umhau’n in den Mund nehmen.«
Barbara kämpfte ein beginnende Unsicherheit nieder. Irgendwie fühlte sie sich in die Enge getrieben. Dieser Jacob war mehr als bauernschlau. Er war gefährlich berechnend. Aber – Barbaras Stolz regte sich – ganz gleich auf was er herauswollte, sie würde ihm nicht als zart bemantelte Kaufmannsfrau auf den Leim gehen, sondern Rückgrat zeigen.
Langsam und mit kaltem Ton sagte sie: »Auf was wollt Ihr hinaus? Wenn ich ein Herz für unsere Eiche habe, heißt das noch lange nicht, dass es nicht auch für etwas anderes schlägt. Ihr glaubt wohl auch an das Vorurteil, dass die, die, zugegeben, in der Welt nicht zu den Ärmsten zählen, sich auf das Entlegene kaprizieren?«
»Madame«, sagte Jacob versöhnlich, »ich hab’s doch nur mild ausdrücken wollen. Weil Ihr damals, wie mir schien, für unsern Grenzwächter sehr geschwärmt habt. Das andere würde ich Euch nie wagen, zu unterstellen.«
»Was jetzt wie ein Schimpfwort klingt, dürft Ihr als Kompliment auffassen«, sagte Barbara misstrauisch. »Wie ein Jesuit versteht Ihr`s zu konversieren. Ich bin für Euch wohl immer noch ein Schwarmgeist. Aber Ihr täuscht Euch!«
Jacob hustete und lachte gleichzeitig. Seine Augen strahlten in abgründiger Dunkelheit, und mit provozierender Lust leerte er sein Glas Most.
»So macht Ihr es mir leicht, um Eure Unterschrift zu bitten«, sagte er. »Trotzdem, ich hätt’ allen Grund, bös’ zu sein jetzt«, sagte er, »denn ich bin ein ehrlicher Katholik. Wenn ich beichte, bin ich wirklich zerknirscht. Ich kann nur wünschen, dass dies bei Euch auch so ist.« Damit zog er ein Schriftstück aus seinem Hemd, das er Barbara hinhielt.
»Dies versteht sich bei einer, die als halbe Nonne aufgewachsen ist, besonders«, erwiderte Barbara höhnisch und griff nach dem Schreiben. Mit einem Blick erfasste sie den Inhalt. »Ihr seid also gekommen, um der van Bergenschen wieder Holz abzuschwatzen?«
»Das habt Ihr gesagt«, schnitt Jacobs Stimme scharf in den Raum. »Wollt Ihr mich beleidigen? So vom hohen Kaufmannsross herab lässt sich’s trefflich dem kleinen Rebbauern, der den Fahnenbergs tributpflichtig ist, Geldgier vorwerfen.«
»Nein, nein! Beruhigt Euch«, antwortete Barbara und legte das Schriftstück auf ihren Sekretär. Dann sagte sie bitter: »Ich werd’ wohl gar nicht umhin können, zu unterschreiben.«
»Bedenkt doch«, Jacob bemühte sich um einen versöhnlicherem Ton, »wenn erst Käfer und Spechte samt anderem Ungeziefer den Baum zerfressen und sich der Schwamm an ihm festsaugt, Ist dies nicht auch ein trauriges Bild? Bei jedem Sturm brechen Äste! Der Baum würde verwesen wie ein Geräderter auf dem Richtplatz.«
»Hört auf!«, herrschte Barbara Jacob an. »Denkt Ihr, ich bin ein empfindelndes Weibchen, dem Ihr glaubt, wegen eines Baumes die Tränen in die Augen zu treiben? Ihr sollt sie kriegen, die Unterschrift.« Damit griff sie zur Feder und unterzeichnete. Jacob stand auf und verbeugte sich.
»Ich wusste, Ihr habt ein Herz«, sagte er, faltete sorgfältig das Schriftstück zusammen und verwahrte es wieder unter seinem Hemd.
»Ich werde nicht dabeisein«, sagte Barbara leise. »Und mein Teil ist für die Armen.«
»Danke, Madame«, erwiderte Jacob und ging zur Tür. »Danke auch für den Most.«
Barbara wandte sich ab. Ein bitteres Gefühl stieg in ihr auf. Sie hatte ihren Chevalier de chêne verraten.
5
Zwei Tage später waren die Straßen und Hohlwege nach Oberrotweil schon in der Früh ungewöhnlich belebt. Aus Bischoffingen, Oberbergen, Bickensohl und
Weitere Kostenlose Bücher