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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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Damit Ameisen und Würmer nicht als erste übers Filet herfallen?«
    »Sergent«, jubelte einer, »ihr Sachsen seid Kavaliere! Wir hängen den Kerl wie einen Schinken, verlasst Euch drauf!«
    Auf Pfiff und Handzeichen kamen ein paar Grenadiere zum Fuß der Eiche. Zwei von ihnen hielten bereitwillig ihr Kreuz hin und es dauerte nicht lange, bis einer die Gabelung erklettert hatte. Valentin lag mit aufgeschlagenem Gesicht eingekeilt zwischen den Hauptarmen – quer über einer tiefen Höhlung, deren modriges Laubdach von der Wucht seines stürzenden Körpers an einer Stelle eingebrochen war. Den Rest trat der Grenadier ein und entzückt über diese Entdeckung schrie er auf: »Sergent, ein Loch! Breit wie ein Fass und tief wie in einem Alptraum!«
    »Na und?« rief Jobst Brüssler. »Mir war´s, als wolltet ihr den Kerl den Krähen überlassen!«
    »Sergent, in diesem Fall ist das Einfachste das Beste. Der Kerl kriegt so Sarg und Gruft in einem. Ihr könnt ihm ja die Messe lesen!«
    »Zum Teufel mit euch! Macht was ihr wollt.«
    Verärgert ging Jobst Brüssler zu seinem Pferd. Das Geschehnis war für ihn abgeschlossen. Was ging in dies alles noch an. Er hatte Wichtigeres in den Kopf zu nehmen! Außerdem drängte die Zeit, die halbe Stunde Rast war längst vorüber.
    »Also!« rief der Grenadier auf dem Baum. »Für die Würfelkasse, hier!« Damit warf er Stück für Stück Valentins Kleidungsstücke herunter, die er vorsichtig dem Toten auszog. »Sind in Breisach gute Münzen wert.« Dann, nach einer Weile, rief er noch einmal: »He, Sergent! Hier hab’ ich was, das wir ehrlich zurückgeben wollen. Niemand soll uns nachsagen, wir wären Grabräuber.«
    Jobst Brüssler schaute kurz auf und verzog angewidert das Gesicht. Dies war noch einer ihrer blutigen Scherze – sie hatten Valentin den Ringfinger abgeschnitten. Der Grenadier aber lachte und ein paar Fußtritte genügten, um seine Leiche kopfüber in den Abgrund des Stammes zu stürzen.
    ***
    War es der Regen, der zu stark geworden war oder die Maßlosigkeit des Geschauten, die Godwan in seine Wirklichkeit zurückstießen? Fassungslos starrte er in die nur noch schwach züngelnden Flammen. Wie Riesenschatten brandeten die Klänge des geschändeten Baumes in seiner Seele auf und vernichteten allen Glauben an das Gute. Verzweiflung übermannte sein Herz und eine nie gefühlte Sehnsucht nach traumlosem Schlaf breitete sich in ihm aus.
    Donar aber sprach noch immer zu ihm. Ein letztes Mal ließ er seinen Priester seinen heiligen Baumgiganten schauen. Er schien dieses Mal mit einem Mädchen zu verschmelzen, deren Küsse Godwan auf seinen Lippen zu spüren glaubte. Süßes und Metallenes vermischte sich mit den Düften von Jahreszeiten und rauchenden Herdstellen, ein Lächeln verhieß glückliche Zukunft. Tränen der Freude quollen hinter Godwans geschlossenen Lidern hervor, doch damit ließ es Donar gut sein. Er nahm seinen Priester zu sich und befreite ihn wie seinen Helden Theutbalt aus seinem schon lange müde gewordenen Körper.

ERSTER TEIL

1
    Weil es diesen Sommer vom Rhein her nahezu jede Nacht gewitterte, waren die Rebarbeiten besonders anstrengend. Der Himmel gab das Wasser zurück, das er tagsüber dem Boden entzogen hatte und im siebten Jahr nach Valentin Schnitzers ungeklärtem Verschwinden schoss das Unkraut zwischen den Reben so schnell hoch, dass man ihm beim Wachsen zusehen konnte. Den ganzen Tag war Jacob Schnitzer, Valentins jüngerer Bruder, mit dem Falgen beschäftigt gewesen: dem flachen Hacken zur Unkrautvertilgung. Jetzt saß er in der Küche, vor einem Krug kühlen Apfelmost, seinem Lieblingsgetränk.
    Wie es aussehe, erzählte er, würde er den Sommer durch ununterbrochen falgen müssen, zusätzlich zu den anderen Arbeiten. Aber, und dabei räkelte sich Jacob wohlig auf seinem Stuhl, nächste Woche würde er mit dem Stutzen der Triebe anfangen, die durch das dampfige Klima bereits riesenlang über die Rebstecken geschossen seien. Dies käme der Qualität entgegen, ebenso müssten auch wieder nutzlose Geiztriebe ausgeputzt werden. Ja, sie hätten hier eben mal wieder zu viel Wasser. Woanders fehle es. Von Emmendingen an, über den Schwarzwald bis in die Alb, habe die Trockenheit bereits das Getreide geschädigt.
    Aufgedreht wie eine Spieluhr redete Jacob auf Jenne, seine Magd ein, die, ohne ein Wort zu erwidern, geduldig zuhörte und die Küche aufräumte. Der Apfelmost, von dem Jacob einen halben Krug getrunken hatte, putschte ihn auf und schon

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