Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
spürte er wieder die gleiche Euphorie wie vor drei Wochen, als der Priester ihn und Maria zu Eheleuten erklärt hatte. Damit war sein heißersehnter, jahrelanger Wunsch in Erfüllung gegangen: Hausherr der Schnitzers zu werden, Herr über Weib, Knecht, Magd, zwei Pferde, zwei Kühe, drei Schweine, Federvieh. Herr über Haus, Hof, Geld und Gerätschaften, Herr über Garten, Weide und Reben. Nur dem Kloster St. Blasien und den Freiherren von Fahnenberg war er tributpflichtig. Wobei die Fahnenbergs sich weniger ausbeuterisch gebärdeten als die Mönche – obwohl auch jene genau wussten, wie viel ihnen das Städtchen Burkheim mit seinen Dörfern Ober- und Niederrotweil, Jechtingen und Oberbergen eintragen könnte, wenn sie die Abgabenlast höher schraubten.
Sie müsse jetzt nach Maria schauen, unterbrach ihn die Magd, als Jacob sie nach dem Aufräumen einlud, mit ihm den Rest des Krugs zu leeren. Maria habe drum gebeten. Sie müsse ihr noch etwas von der Biersuppe bringen, zudem gäbe es noch Arbeit im Stall und die Hühner liefen auch noch frei herum. Jacob brummte nur leicht, ließ sich in seiner Laune aber nicht weiter stören. Sollte Jenne gehen! Es war schließlich nicht sein Kind, das Maria erwartete – nur das vom Elsässer, den sie nach Valentins unerklärlichem Verschwinden geheiratet hatte.
Ludwig Heiteren hatte er geheißen, ein Feldwebel, der sich auf der Breisacher Kommandantur in Maria verliebt hatte. Dort war sie hingegangen, weil sie glaubte, die Franzosen hätten Valentin verschleppt. Denn es war ja Krieg. Jedenfalls, die Dienstzeit des Elsässers war damals Ende des Jahres ausgelaufen. Heiteren hatte etwas Geld, stammte aus einer Winzerfamilie und – das musste man ihm leider zugestehen – besaß auch Charme. Ein Jahr später hatte er eingeheiratet. Maria war glücklich. Sechs Jahre lang, bis zum Unfall. Nur deshalb war sie jetzt, August 1751, wieder eine Schnitzer, nur deshalb hieß der Hof mit allem was dazu gehörte, wieder der Schnitzer-Hof.
Wie es Sitte war, hatten Maria und er sich vor dem Priester durch Handschlag eine auf Treue, Liebe und Verständnis gegründete Ehe geschworen, doch jeder im Dorf wusste, dass sie mit der Liebe wohl am wenigsten weit kommen würden. Aber dies war auch unwichtig. Er hatte die Gelegenheit beim Schopf gepackt, mit der Heirat Hausherr zu werden, sie, die hochschwangere elsässische Feldwebelwitwe Maria Heiteren, vormalige Witwe Valentin Schnitzer, bekam einen Stiefvater für ihr Kind. Beide hatten sie es so vereinbart – vor einem Monat, ein paar Tage nach dem Unfall beim Holzschlagen. Dass es den Elsässer das Leben gekostet hatte – es war nicht mehr zu ändern! Warum sich länger daran vergrübeln? Hundertmal hatte er, Jacob, es doch schon erzählt:
Ludwig Heiteren wollte unter der uralten Eiche etwas verschnaufen, als der Baum, den sie nebenan abwechselnd eingeschlagen hatten, vorzeitig fiel. Wäre der Ast des Baumriesen weniger morsch gewesen – mehr als ein paar Schrammen hätte der Elsässer nicht abgekriegt. Es war eben sein Schicksal: Der Stamm des stürzenden Baumes traf das Morschholz der Rieseneiche so unglücklich, dass es dem Heiteren auf den Hinterkopf schlug. Und aus der Ohnmacht war er nicht mehr aufgewacht. Mehr gab es nicht zu erzählen.
Fast alle sagten sie zwar jetzt im Dorf, er habe Marias Not berechnend ausgenutzt, nur um aus dem Gesindestand treten zu können, aber wer sonst hätte sie denn noch genommen? Wer? Sie, die ja schon ins Alter kam und zweimal verheiratet war? Sie, die es in sieben Jahren Ehe, sechs davon mit dem Elsässer, nur zu zwei toten Mädchen gebracht hatte und wohl nie mehr einem männlichen Erben das Leben würde schenken können? Nein, bei einem anderen hätte dies noch berechnender ausgesehen und obendrein hätte derjenige es sich mit ihm, dem letzten Schnitzer, auf den Tod verdorben. Und wer wollte das schon.
Jacob schenkte sich ein neues Glas ein und lauschte. Weinte Maria wieder? Nein, seit dem letzten Kirchgang am Sonntag hielt sie sich, Gott sei Dank, wieder vernünftig. Die Vorfreude auf das Elsässer Balg half ihr sicherlich, über den Unfall beim Holzschlagen hinwegzukommen. Es hatte sie schwerer getroffen als das merkwürdige Verschwinden vor sieben Jahren, als Valentin vom Mistelschneiden nicht mehr zurückgekommen war. Hätte sie ihn, den jüngeren Bruder, gleich genommen, statt sich diesem elsässischen Hund an den Hals zu werfen, wäre ihr der Kummer erspart geblieben. Jetzt hatte sie ihn doch
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