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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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wäre auch ein Dümmerer als er gekommen. »Es ist nichts Verbotenes, was ich tue. Misteln schneiden tut man doch überall.«
    »Ich sag’ es ihm, Sergent: Der Bursche lügt. Man sollte ihm sein Maul zertreten«, polterte ein Grenadier.
    Doch Jobst Brüssler ließ sich nicht beirren. Ohne den Ausbruch zu beachten, ging er gemächlich auf den Baum zu, klopfte zweimal mit der flachen Hand an den Stamm und musterte Valentin so eindringlich wie möglich.
    »Du kennst dich mit Komplimenten aus«, sagte er ruhig, »aber die können auch danebengehen. Das beweist fürs erste, dass du nicht auf den Kopf gefallen bist, Bursche, doch zum zweiten spricht es gegen dich. Also …«
    »Nein, ich schwör’s euch, Herr Kommandant«, platzte Valentin dazwischen. »Es ist wegen der Misteln. Ich suche sie für ein Amulett und …«
    Zu mehr langte es nicht. Eine Stimme brüllte: »Zum Teufel Sergent! Ihr Sachsen mögt Menschenfreunde sein, aber ein echter Kriegsmann hat Spione und Meldeläufer in die Hölle zu schicken. Basta!«
    Das war zuviel. Wütend fuhr Jobst Brüssler herum und schrie den Grenadier so heftig an, dass ihm der Speichel aus dem Mund spritzte: »Du verdammter Hurensohn! Ich hetz dich gleich mit doppelter Ausrüstung um den Baum! Und zwar so oft, bis du alles Laub gefressen hast!«
    Dröhnendes Gelächter brandete zu Valentin hinauf. Wenn einer derart angepfiffen wurde, sorgte dies immer für Heiterkeit. Ernst nahm es niemand, denn so etwas gehörte nun mal zu den Privilegien der Vorgesetzten, seit Jahrtausenden. Jobst Brüssler aber gestand sich ein, dass er zu behutsam mit dem Burschen umging. Aber den Kerl einfach aufhängen? Dann hätten sich einfache Grenadiere gegen einen Sergenten durchgesetzt – und das ging natürlich nicht an.
    Valentin wiegte sich in Sicherheit. Den Wutausbruch Jobst Brüsslers legte er zu seinen Gunsten aus. Der »Sergent«, wie sie ihn nannten, würde schon dafür sorgen, dass ihm nichts passierte.
    »Herr Sergent«, sagte er zögernd, »es ist wirklich wahr. Bei allen Heiligen. Meinem Weib soll ich Misteln schneiden, zur Taufe für die Tochter. Ich weiß, es klingt dumm, aber auch mein …«
    Mehr ließ Jobst Brüssler nicht zu. Giftig schrie er den Stamm hoch: » C’est fini , Bursche! Deine Beichte fängt nicht. Ein falsches Wort noch und du siehst den Totenvogel. On ne va pas tarder! Wir kennen da keine Hemmungen!«
    Valentin schoss der Schreck so eisig durchs Herz, dass ihm schwindelig wurde. In wenigen Sekunden hatte ihn der Angstschweiß in eine zitternde Kreatur verwandelt, die verzweifelt um ihr Leben bettelte: Sie mögen ihm doch glauben, er sei ein ehrlicher Rebbauer, kein Spion. Und alles wolle er ihnen sagen und schenken, aber er sei kein Lügner.
    »Ich kann nichts dafür«, flehte er, »mein Bruder ist schuld. Es ist Aberglaube, Aberglaube, weiß ich, aber kein Spion …« Rasend vor Angst verwirrten sich ihm Worte und Sätze, seine Stimme überschlug sich. Sein Schreien gipfelte in einem verzerrten, wahnsinnigen Nein, das in einem heiseren Geröchel erstarb, nachdem ein scharfer Knall den Hain durchschnitten hatte. Valentin spürte noch einen harten Stoß am Rücken, dann stolperte sein Herz und stieß ihn in ein aufstäubendes Licht.
    Verblüfft schaute Jobst Brüssler in das betont unschuldige Gesicht eines seiner Grenadiere, der langsam hinter dem Stamm hervortrat, mit wieder harmlos geschultertem Gewehr.
    »Sergent, er darf nicht böse sein«, sagte der Grenadier ziemlich gekünstelt. »Diese Kugel war ein feines Geschenk! So sauber geht’s in der Schlacht selten«.
    »Er hat recht, Sergent«, stimmte ein anderer zu, der gerade seinen Kautabak ausspuckte. »Im Krieg stören lange Sätze. War’s also nicht korrekt? Letztes Jahr da haben die Trenckschen Panduren unsre Posten in eine Mühle gesteckt und diese angezündet. ‘s hat länger gedauert für die armen Teufel. War das korrekt?«
    Jobst Brüssler hatte sich schnell wieder in der Gewalt. Derartige Possenspiele, wusste er, begannen sie, wenn sie ihn beeindrucken wollten. Ob dabei einer umkam, war Nebensache. Trotzdem galt es für ihn jetzt, eins draufzusetzen, obwohl das in diesem Fall eigentlich unmöglich war. Aber irgendein theatralischer Abgang musste sein, ein Abgang, den er, Sergent Jobst Brüssler, in Szene setzen musste.
    »Eure Posten hatten in ihrem Pech wenigstens das Glück der Feuerbestattung«, schnauzte er. »Anders gefragt: Wollt ihr den Krähen jetzt einen Dessertgang bescheren, oder was?

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