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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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härter und verbissener. Denn dieser Baum schien den Hieben zu spotten, auch wenn ihm jeder ein winziges Stück mehr von seinem Leib nahm. Die Äxte wurden so schnell stumpf wie noch nie, und oft barsten die Stiele an der steinernen Härte des Holzes. Jacob hatte bald Bernhard Platz gemacht, und wenn zu Anfang die Axtmänner gar nicht lang genug schlagen konnten, weil sie immerzu bedrängt wurden, wenigstens drei, vier Hiebe abzugeben, ließen sie um die Mittagszeit bereitwillig von ihrem kräftezehrenden Geschäft ab, um sich bei Brot, Bier und Speck auszuruhen. Immer wieder mussten die Schneiden neu geschliffen und die Äxte geschäftet werden. Die Flüche derjenigen, denen der Stiel zerbarst, wurden mit der Zeit wüst und ungehalten. Als die Hälfte des Stamms unter der Übermacht zerhauen war, feierte man diesen Sieg mit beleidigenden Sprüchen und spottete auf die verknöcherte Ruine, die an ihrem bisschen Greisenleben derartig widerborstig festhielt. Willst du ewig leben, Eichbaum, so hilft’s dir nichts, hieß es, und die Wütendsten spuckten vor ihm aus.
    Von der Mittagszeit an hatten sich dunkle Wolken über den milchigen Himmel geschoben und das trübe Sonnenlicht vollends verdunkelt. Eine brütende Schwüle lastete auf dem Eichberg, es roch nach Essen und Trinken, Tabak und Schweiß. Dann, nach Stunden tollwütigen Schlagens, war es endlich soweit. Die Äxte hatten sich so tief in den Kern des Stammes gefressen, dass es krachte und knackte. Die Eiche zitterte. Hastig floh alles aus der vorgesehenen Fallbahn des Baumes. Angespannt stierten die Gesichter auf den Koloss, dessen letzte Fasern, wie Schreie gellend, zerrissen. Unheimlich war jetzt die Dunkelheit, die um sich gegriffen hatte. Kinder weinten und drängten sich an ihre Mütter, man bekreuzigte sich. Dann erklang ein Stöhnen, so schauerlich und schmerzhaft, wie es noch keiner je vernommen hatte. Der Baum sackte zusammen. Hilflos suchten die kahlen Äste im düsteren Grau des Himmels nach Halt, doch ohne Erbarmen neigte sich der Stamm. Verzweifelt langsam und einsam sank der Riese der Erde zu.
    In einem allen menschlichen Lärm tausendfach übertönenden Donnerschlag zerbebte die Eiche am Boden und schleuderte, einem ausbrechenden Vulkan ähnlich, Erde und Steine von sich. Heiß wogte die im Sturz verdrängte Luft zu den in sicherer Entfernung Dastehenden. Wie eine zusammengedrängte Herde starrten sie mit einem Mal ins Nichts und schämten sich. Denn sie ahnten, sie hatten gefrevelt.
    7
    Waren es die nach einigen Minuten alles Unheimliche vergessenden Kinder, das wieder aufkeimende Licht oder schlicht der gesunde, nie versiegende Lebenswille der einfacheren Naturen, der Verbund der Herde wurde lockerer, und die ersten pirschten sich an den still am Boden ausgestreckten Titanen heran. Zaghaft berührten sie den Toten, als fürchteten sie, er könnte sich noch bewegen oder in unbändiger Wut plötzlich aufbrausen. Doch weil nichts geschah, siegte der Vorwitz, und es dauerte nicht lange, bis der erste auf den zermarterten Stumpf kletterte.
    Jacob nickte allen Männern zu und bedankte sich bei jedem einzelnen für seine Hilfe. Dann stieg er auf den Stumpf, und schwang, Aufmerksamkeit fordernd, seine Axt über dem Kopf. Seine Worte galten vor allem den Bloßhäuslern, denen er Mut machte, sich am Holz zu bedienen. Er selber würde von dem ihm zustehenden Anteil das Meiste verkaufen, gegen wirklich wenig Geld. Nur den Zehnten müsse er jetzt noch markieren, dann wäre der Baum sozusagen frei. Aber natürlich rechne er auf die Ehrlichkeit derjenigen, die zahlen könnten. Und deshalb sage er es allen frei ins Gesicht: Wer sich an diesem Holz bereichere, habe nicht mehr Ehre im Leib als ein gemeiner Strauchdieb.
    Niemand verweigerte auch dieses Mal die Zustimmung. Mit einem Stück Kreide machte Jacob den Zehnten kenntlich, ein Stück vom Stamm und Dreiviertel eines Hauptarms. Zum Zeichen der Freigabe holte er noch einmal groß aus und wunderte sich über den zerberstenden Stiel, dessen Trümmer sich im gleichen Augenblick in rasenden Schmerz verwandelten. Dann verlor er das Bewusstsein.
    Er kam wieder zu sich, weil man ihm das Hemd vom Leib zerrte und mit kaltem Wein die Wunde ausspülte. Fünf Mann hielten ihn dabei fest, so dass Jacob nur auf Grund der Schmerzen ahnen konnte, wie groß der Blutstrom sein musste, der aus seinem Oberschenkel quoll.
    Man sprach beruhigend auf ihn ein, bis die entsetzten Schreie eines halbwüchsigen Mädchens neue Aufregung

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