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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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zubereitete Leckerbissen nicht recht schmecken. Fast schien es, als wäre ihr hartnäckiges Unwohlsein nur eine tastende Warnung gewesen, vor anderen, kommenden Dingen.
    9
    Was Barbara gerade mitanhören konnte, waren Stimmen aus einer ihr fremden Welt. Etwas hatte sie sich schon an sie gewöhnt, denn in den wenigen Tagen, die sie jetzt hier, einen Stock tiefer, einsaß, hatte sie erfahren, dass es Schlimmeres gab, als wenn Eheleute miteinander stritten. Und auch wenn diese im Gegensatz zu ihr frei waren, lieber hätte sie einer Verschärfung ihrer Verwahrungsbedingungen zugestimmt, als einen Tag dieses Leben teilen zu müssen. Dass der Mensch des Menschen Wolf ist, für sie war es nur eine Redewendung gewesen, aber hier wurde sie ihr mitleidlos vor Ohren geführt.
    Sie solle die Kinder im Zaum halten, hatte der Eisenmeister sein Weib angebrüllt, als er in die Stube getreten war. Es gehe nicht an, dass sie abends um neun trampelten und lärmten wie zur Mittagszeit. Auf diese Art die Kinder zu verwöhnen sei unsittlich angesichts des Elends in der Welt! Verdrossen schaute er zu, wie seine drei Kinder sich juchzend einen heißen Hirsebreibatzen zuwarfen, solange bis sein Ältester ihn für genügend abgekühlt befand. Den Schlag Brei hatte er direkt aus dem Topf in die hohle Hand geklatscht bekommen, sozusagen als Gutenachtschmankerl für alle, gegen ihren nie zu stillenden Appetit.
    »Was tut’s denn?«, entgegnete das Eisenmeisterweib unwirsch. »Hat’s dir die Laune beim Besuch verhagelt? Weilst kein Saufgeld von ihr gekriegt hast, wie? Oder weil’d g’sehen hast, dass sie mir mehr Geld zugesteckt hat, als was du mir im Monat gibst?«
    »Dies sind jetzt grad die richtigen Wort’!«, giftete der Eisenmeister zurück. »Weilst eine Mitgift einbracht hast, die weniger war, als die Stadt mir auf’n Monat zahlt! Und wenn ich beim Würfeln g’winn, wer steckt dann ‘s Geld ein?«
    »Wenn’s nur öfters einmal vorkäm’, dein Gewinn!«, schleuderte sie zurück. »Und den nächsten schieb’ ich mir vorne rein, dass es mir dort genauso schnell Zinsen trägt, wie dir im Beutel die Geilheit wächst!«
    »Weib du! Gehörst geprügelt für das!«, schrie der Eisenmeister und warf die Tür zum Flur zu, weil die Kinder von dort aus betreten dem Streit ihrer Eltern zuguckten. Sie wussten zwar, dass ihr Vater nie zuschlug, aber die Kleinste, ein Mädchen von ungefähr drei Jahren, klammerte sich ängstlich an den großen Bruder, einen siebenjährigen Grobian, der auf den Gassen berüchtigt war für seine unbarmherzigen Fäuste. Seine kleine Schwester liebte er dagegen abgöttisch, und an ihr versuchte er das gutzumachen, was der Vater an seiner Mutter verbrach. »Wennst groß bist, heiraten wir«, pflegte er sie zu trösten. »Und dann haben wir uns lieb und rennen davon.« Jetzt konnten sie nur in ihr Zimmer flüchten, einen kleinen Verschlag mit einem auf die Straße führenden schmalen Fenster. Und dort blieb ihnen nichts übrig, als in ihre Strohkiste zu klettern, sich in ihre Filzdecken zu wickeln und auf den Schlaf zu warten. Waren sie sehr müde, hörten sie nur noch das Gebrüll und Gekeif, waren sie es nicht, später auch noch andere seltsame Geräusche, die oft abrupt endeten.
    Heute hörten sie es wieder. Und die fünfjährige Anna sagte leise: »Jetzt melkt die Mama den Papa wieder. Deshalb klingt’s so, wie’s jetzt klingt.«
    »Was melkt sie denn?«, wollte der Grobian wissen. »Der Papa ist doch keine Kuh!«
    »Nein, aber er gibt auch Milch«, beharrte Anna schon recht schläfrig.
    »Das versteh´ ich nicht«, sagte der Grobian, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte. »Wo soll der Papa denn sein Euter versteckt haben? Wir können ja morgen die Mama einmal fragen. Kommst mit?«
    Anna grunzte müde. Lieber würde sie bei der feinen Madame auf dem Schoß sitzen und sich von ihr Geschichten erzählen lassen. Hoffentlich blieb sie noch eine Weile. Auch die Mama mochte sie. Und selbst der Papa. Weil sie beiden immer Geld zusteckte. Dafür, dass sie etwas Gutes zu Essen bekam und jeden Tag frisches Wasser.
    10
    Noch vier Tage bis zum Prozess. Vier endlose Tage mit so einem Wahnsinnigen unter einem Dach! Seit sechs Tagen hielt man sie in diesem Loch gefangen, ertrug sie die geilen Blicke dieses Eisenmeisters, dieses Stadtbüttels, den sie nur mit ausgebeulter Hose kannte. Wären die Kinder nicht und die Eisenmeisterin, die sie oft besuchten, sie hätte geglaubt, im Vorhof der Hölle angelangt zu sein.
    Ihre

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