Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
ich sie denn auch bitten, mir noch etwas Waschwasser und Tuch zu bringen? Die Regel hat eingesetzt, und am ersten Tag ist’s immer besonders schlimm.«
»Das kenn’ ich«, rief die Eisenmeisterin. »Sie kommt immer dann, wenn’s am unpassendsten ist. Aber ‘s gibt’s nur kaltes Wasser. Wollt Ihr warten?«
»Nein. Bloß nicht«, sagte Barbara. »Vorher krieg’ ich keinen Bissen runter. Und dies wär’ doch schad’, wo sie so gut kocht.«
»Ein Kompliment braucht’s nicht, Madame«, winkte die Eisenmeisterin ab. »s’ ist ja Euer Geld. Ich geh’ schon.«
Die Eisenmeisterin verriegelte nie die Tür, wenn sie den Aborteimer leerte oder die Kinder zu ihr hereinließ. Es war dies ein Zeichen ihres Vertrauens, obwohl in den Jahren, in denen sie und ihr Mann das Zuchthaus führten, noch nie jemand geflohen war. Wie eine Art Gasthaus führten sie und ihr Mann diese Verwahranstalt. Für jeden Gefangenen gab es von der Stadtkämmerei Geld, stets den gleichen Betrag für Unterbringung und Verpflegung, ob der Malefikant von höherem Stand war oder nicht. Barbara war diese Woche die einzige Gefangene, dementsprechend mager waren die Zehrbeträge. Weil das Pachtgeld in solch schlechten Zeiten natürlich genauso hoch war wie in malefikantenreichen Wochen, bot sich diese Freundlichkeit zum einzigen »Gast« geradezu von selbst an.
Doch die Eisenmeisterin war auch sonst keine stumpfe oder harte Frau. Wenn ihr Mann im Keller dazu verdammt war, an einem verstockten Sünder die Tortur durchzuführen – zum Glück geschah dies von Jahr zu Jahr seltener -, war sie die barmherzige Samariterin in Person, die die Wunden verband und Trost zusprach. Dass ihr Mann in rebus amoris außer dem Normalen stand, hatte sie sich, als sie vor acht Jahren heiratete, nicht im Traum vorstellen können. Erst nach der Geburt der kleinen Anna war er so geworden, warum, dies wusste der Himmel allein. Jetzt war das Leben an seiner Seite zur Qual geworden. Entweder sie fand bald ein Gift, oder sie würde sich eines Nachts in die Folterkammer schleichen und …. So hatte sie es Barbara zu Anfang erzählt. Als sie jetzt wiederkam, um das Geschirr bei ihr abzuräumen, hielt sie die fünfjährige Anna an der Hand. Der Eisenmeister wäre saufen gegangen. Ob sie ihr Gesellschaft leisten dürften?
»Wenn Ihr mich trösten wollt, gerne«, sagte Barbara. »Ich stiere auf Beschimpfungen, wie mir noch nie welche begegnet sind. Ich weiß gar nicht mehr, ich komm’ noch in den Wahnsinn.«
»Das glaub’ ich auch oft, Madame«, erwiderte die Eisenmeisterin. »So wie ich jetzt ins Morgen schau, was denkt Ihr? Da geht’s mir so, als ob ich geboren wär’ fürs nichts und wieder nichts! Liebe? Gott? Gerechtigkeit? Das ist was für die Feinen. Für die Gelehrten und Reichen. ‘s ist zum Wütendwerden. Ich hätt’ Lust, in der Kirche so laut und falsch zu singen wie nur möglich. Die Arbeit ist auszuhalten, weil sie zu arbeiten gibt, weil man sich an ihr abarbeiten tut. Aber für was? Nicht einmal die Kinder haben doch was davon, Eisenmeisterskinder! Also für nichts und wieder nichts. Irgendwann lieg’ ich im Sterbebett. Und was war dann mein Leben? Nichts.« »Sie redet wie eine Philosophin«, sagte Barbara verwundert. »Ich begreif’s kaum, dass Sie Eisenmeisterin ist. Denn es klingt gallebitter und auch ein wenig konfus.«
»Weil Ihr eine vom höheren Stand seid«, entgegnete die Eisenmeisterin seufzend und setzte die kleine Anna auf Barbaras Schoß. »Ich hab’ doch nur sagen wollen, dass ich maßlos enttäuscht bin vom Leben und es für mich todtraurig ist.«
Barbara schwieg und wiegte Anna auf ihrem Schoß. Schnupperte an ihrem Haar und brachte sie mit sanften Atemstößen, die sie ihr ins Ohr hauchte, zum Kichern. Unbeteiligt sah die Eisenmeisterin vor sich hin und nickte nach einer Zeit. Dann begann sie wieder zu erzählen.
»Meinem Mann geht’s ja eigentlich ähnlich. Nur, ein Mannsbild darf halt saufen und sein Weib missbrauchen. Damit tröstet er sich von der Langeweile. ‘Weißt du, was Langeweile ist?’ hat er mich gefragt. ‘Das ist immer das Hemd zuerst, dann die Hose drüber. Dies am Abend umgekehrt machen, dann ins Bett gehen, morgens wieder herauskriechen und einen Fuß immer so vor den andern setzen.` ‘Und deshalb benutzt’ mich wie einen Apparat? hab’ ich gefragt. ‘Damit du die Langeweile vergisst, wie?’ Und er hat genickt. Wisst Ihr, was er dann gesagt hat? ‘Alles g’schieht aus Langeweile. Die Leut’ betteln,
Weitere Kostenlose Bücher