Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
wie. ‘s musst’ mit dem Steiß heraus und hat mich Blut gekostet. Das Nabelband war um seinen Hals und je tiefer es rutschte, umso weniger Luft hat’s bekommen. Vielleicht ist’s schon tot. Es ist bei Pauline, denn ich will’s nicht haben. Ein Mädchen, Jacob – weißt du, was das heißt?«
Herausfordernd blickte sie Jacob an. Die Genugtuung darüber, dass alles so gekommen war, wie sie es prophezeit hatte, legte einen überheblichen Ausdruck in ihre Miene, die Jacob mitleidlos an ihre Abmachung erinnerte. Sie durfte triumphieren, denn das Unwahrscheinliche war Wirklichkeit geworden: Ein Stammhalter, mit dem sie Jacob geködert hatte und ein Mädchen, das nicht überleben würde. Damit stand sie unanfechtbar da, denn das so gut wie tote Mädchen brauchte Jacob Maria jetzt nur als ihr eigenes Kind unterschieben, sollte diese ein gesundes Mädchen zur Welt bringen.
Geschickt hatte sie Jacobs Abneigung gegen das von Maria erwartete Kind genährt. Es war nicht schwer gewesen: Ob er es denn verantworten könne, dass in fünfundzwanzig Jahren ein Bastard den Hof übernehme, hatte sie ihn gefragt. Ob er es genießen könnte, sein Altenteil unter einem oder einer Heiteren zu verbringen? Und dann das Dorf! Ins Fäustchen lachten sie sich doch alle: Denn das Glück hätte ihm zwar den verhassten Elsässer aus dem Weg geräumt, aber unglücklicherweise zehn Monate zu spät!
Colette hatte nichts anderes getan, als Jacobs eigene Befürchtungen auszusprechen. Und sie brauchte gar nicht mehr drohen, ihn wegen Vergewaltigung und Heiratsversprechen bei der Obrigkeit in die Pflicht zu nehmen. Schlau wie sie war, hatte sie sich damals ein Taschentuch mit seinen Initialen erbettelt – für Leute ihres Standes ein überall anerkanntes Ehepfand!
Aber auch ohne Erpressung – Colettes Versprechen, ihm einen Sohn zu schenken, einen echten Schnitzer, wirkte wie ein immer stärkeres Gift. Blut wiege schwerer als ein Versprechen, ein leiblicher Sohn sei kostbarer als das Balg eines Fremden – mit immer neuen Einflüsterungen dieser Art gewann sie Jacob für ihren Plan. Ein heikles Unternehmen, gewiss, aber machbar.
Am einfachsten wäre alles, wenn Maria einen toten Jungen gebären würde: Dann bekäme sie ein Geschenk in der Art eines gnädigen Wunders, das ihre Ehre als vollwertige Frau retten würde. Aber ob Jacob nun einen Jungen oder ein Mädchen aussetzte: Colette war dies vollkommen gleichgültig. Die Hauptsache war, dass sie so früh wie möglich ohne Kinder dastand. Lieber spielte sie noch tausendmal das Blondchen, als zur schlampigen Vagabundenmutter herunterzukommen.
Jacob blickte Colette stumm an und nickte. Alle Möglichkeiten hatten sie durchgespielt, und wahrscheinlich waren es die gleichen Gedanken, die ihm und ihr gerade durch den Kopf gingen.
Schließlich sagte er: »Keine Angst. Ich hab mich sogar schon damit angefreundet, Maria beizustehen. Das wird sie mir sicher nicht vergessen und ist gut für uns beide. ‘s ist zwar vom Elsässer, aber wenn ich ein ehrliches und besorgtes Gesicht zuwegebringe, wird’s schon werden. Dann macht’s auch Sinn, dass ich Jenne und die Hebamme, wenn’s Kind da ist, fortschicke.«
»Wenn’s nur gelingt, mir ist alles recht«, sagte Colette gleichgültig. »Aber«, und dabei bekam ihre Stimme einen warmen Unterton, »mir scheint, du willst deinen Sohn erst dann küssen, wenn du das Elsässer Balg vom Hof hast, oder?«
Jacob lächelte. Selbst ein Weib wie Colette hatte also noch Gefühle. Wahrscheinlich war sie sogar stolz auf ihren Jungen. Und wenn er es sich genau überlegte, musste sie auf Maria eifersüchtig sein. Denn seinen Sohn hatte sie ohne ihn geboren und ausgerechnet bei dem Kind des Elsässers würde er nun dabei sein. Das brachte zwar der Plan so mit sich, aber die natürlichen Instinkte der Weiber waren mit derartigen Kopfgeburten eben nicht zum Schweigen zu bringen. Der Mann ist Geist, die Frau nur Fleisch! Nicht umsonst sagten dies ja die Kirchenväter.
Colette ärgerte sich über ihre Weichheit, atmete aber erleichtert auf, als Jacob sich endlich zu seinem Kind herunterbeugte und es mitsamt Kissen und Tuch an seine Brust drückte. Doch dann bekam sie einen Stich ins Herz, als sie sah, wie zart Jacob es küsste und liebevoll murmelte: »Du heißt Bernhard. Bernhard der Bärenstarke. Mein Sohn bist du, weißt du das?«
4
Dreimal hatte die Glocke geschlagen. Eine dreiviertel Stunde nach Mitternacht musste es also sein. Erschöpft von der schweren Geburt
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