Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
Barbaras Lippen zuckten in einem stillen Lachen – wahrscheinlich hatte Johannes dem Ruf der Zisterzienser damit mehr geschadet, als es heute deren opulente Musikfeste taten.
Wussten diese Brüder hier eigentlich, wen sie pflegten? Barbara erinnerte sich daran, wie Johannes ihr auf ihrer Hochzeit gebeichtet hatte, dass er in jüngerem Alter in langen nächtlichen Gebeten seine Sehnsucht nach einem Kind niederzuringen versucht hatte. Ohne Erfolg, denn wie eine Sandburg wäre seine Festigkeit immer eingebrochen, wenn ihn bei seinem Pfortendienst, wo er winters Almosen verteilte, ein Kind angegreint hätte. Für ihn wäre sie ein Gottesgeschenk gewesen, hatte er ernst gesagt, ein Wunder.
Ein vertrautes Räuspern riss Barbara aus ihren Erinnerungen. Schnell beugte sie sich über den Schlafenden und küsste ihn auf die Stirn. Sie wusste, es war ein Abschied für immer. Grußlos ging sie an Bruder Hans vorbei, bewegt, aber ohne Tränen. Statt Bernward öffnete ein Lohnarbeiter ihre Zimmertür. Das Bettlaken war bereits abgezogen. Er solle ausrichten, der Herr Justitiar wäre beim Anspannen, sagte er. Draußen, beim Pfortenbruder Paul, würde er warten. Auf ihren Dank erntete Barbara ein enttäuschtes Gesicht. In Tennenbach war es üblich, auch Nichtigkeiten zu honorieren.
»Unsere Hexe scheint sich in ihren Prophezeiungen etwas verirrt zu haben«, sagte Bernward. »Draußen ratschlagt grad eine Truppe Komödianten, ob sie es wagen sollen, Maurus Berier ein Possenspielchen vorzuschlagen.«
»Johannes geht es gut«, antwortete Barbara. »Und jetzt will ich weg hier, auch wenn es ungerecht klingt. Dass die Brüder sich Weiße Mönche nennen, weil sie die geistlichen Kinder der jungfräulichen Reinheit sind, kann ich nicht mehr glauben.«
Bruder Paul gab zwei Stallknechten den Befehl, das Tor zu öffnen, und noch während sie gemächlich hindurchfuhren, hörten sie eine Stimme »Colette!« rufen. Etwas irritiert, obwohl sie nicht wusste, warum, suchten Barbaras Augen die Angerufene. Ihr Blick fiel auf einen stark verwitterten Kastenwagen, der einmal rot angestrichen gewesen sein musste. Der Name der Truppe war nicht mehr zu lesen. Mühsam entzifferte Barbara ein paar Buchstaben, die nur für das Wort Compagnie stehen konnten. »Compagnie de« las sie, da ging die Tür auf und eine verlebte Frau mit dürren Armen und Beinen, aufgeschwemmtem Leib und dunklen Augenringen trat heraus, in der Hand einen Nachtstuhl. Ihr graues Haar war unordentlich hochgesteckt, und von ihrer einstigen Schönheit zeugte nur noch ein mit rubinroten Steinen und goldenen Perlen besetzter Kamm. Barbara packte ein Grausen vor diesem leidenden Gesicht, das durch ein Wangengeschwür entstellt war. Aber sie konnte nicht wegschauen. Es lag an diesem Kamm. Unwillkürlich musste sie an Gregor und Johannes denken. Aber warum?
18
Die Salbe hatte nicht geholfen. Alles andere wäre Einbildung gewesen. Anfangs verschwand wenigstens das Jucken, auch konnte man sich unter Beschwörung des guten Willens einreden, dass der Fleck in den ersten beiden Wochen blasser geworden war, aber jetzt war das Eichendöschen leer, und der Ausschlag schuppte und juckte wie vor dem Besuch in Tennenbach. Jeden Morgen und jeden Abend hatte Barbara die Salbe aufgetragen, sich einen Leinenwickel gemacht und zweimal die Woche für eine halbe Stunde einen essiggetränkten Wattebausch aufgelegt. Den Triumph feierte Riecke, die Barbaras Vertrauen in die mönchische Hautheilkunst gekränkt hingenommen hatte. Mit wissender Miene besah sie sich den an so pikanter Stelle sitzenden Fleck und befühlte ihn ausgiebig mit ihren knochigen, zwiebelduftenden Fingern.
»Bei einem wunden Säuglingspodex mag der Mönchsseim helfen, hier aber braucht’s ein derbes Mittel, das ans Knotige unter der Haut dringen kann«, sagte sie sachkundig. »Aber harmlos ist’s allemal, solang kein Eiter ausbricht …«
»Ich habe es aber in allen Einzelheiten beschrieben«, verteidigte Barbara ihren ersten Versuch und schlug energisch ihre Röcke zurück. »Hätt’ ich vielleicht vor den Brüdern die Röcke hochschlagen und ihnen Einblick gewähren sollen? Mich von ihren knubbeligen Däumchen kitzeln lassen?«
»Mönche sind Männer. Ihnen hätt’s gefallen«, sagte Riecke. »Sicher haben sie so ihre Hintergedanken gehabt. Dass Ihr, weil’s nicht angeschlagen hat, noch einmal vorbeikommst …«
»… und ich mich dann bettelnd und aufgespreizt präsentiere, wie? Für das Geld hätt’ ich beim Kräuterweib
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