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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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lallende Frau an ihrer Seite gehöre durchaus in die Stadt, zeige sich nur ausnahmsweise als Krugurschel, wegen Zwistigkeiten in der Liebe und so weiter. Die Wache blökte vor Vergnügen. Als Riecke dann tatsächlich eine gute Stunde später ihre bei sich eingehakte Madame mehr schleifte als stützte, konnten sich die Soldaten nicht mehr beherrschen. Schon wieder die van Bergensche!
    Der Offizier von der Wache, ein kreuzgemütlicher Oberfeldwebel, verdonnerte Barbara auf die launigste Art, aber die schaute nur und wunderte sich. Immer wieder wollte sie im Stehen einschlafen. Schließlich erbarmte er sich, lud sich die Madame nach Verwundetenmanier auf die Schultern und stapfte mit seiner Fracht vergnügt die Stiege zu ihrem Schlafzimmer herauf. Die Belohnung waren, was sollte es auch anders sein, zwei Flaschen Wein und der Blick in ein wohlanständiges Schlafzimmer. Riecke freute sich schon auf ihre Strafpredigt, stellte aber gleich einen Speikübel ans Bett. Sie musste nicht lange warten. Barbara wollte sterben, vierzehn Stunden lang. Erst am nächsten Abend konnte sie an etwas Brot und kalten Braten herangeführt werden.
    Die Konsequenz aus diesem kathartischen Besäufnis war ein van Bergenscher Stand auf dem Martinimarkt. Die Erkenntnis, dass ihr ganzes Unglück lediglich von der giftigsauer gewordenen Dosage aus dem Fass ihres einstigen Chevalier de chênes herrührte, ließ Barbara die Zukunft wieder in den schönsten Farben sehen. Das Fass, entschied sie, wollte sie auf jeden Fall behalten, noch dieses Jahr würde sie es in den Garten ihres Burkheimer Hauses schaffen. Geradezu euphorisch war sie an diesem elften November gestimmt, allergrößtes Vergnügen bereitete es ihr, aus über Stützböcke gelegten Holzplatten, Rebstecken und drumherum gezogenen Segeltuchplanen einen Verkaufsflecken herzurichten. Selbst ein Dach werkelte sie mit Hilfe ihrer Nachbarn zurecht. Als sie alles mit buntem Herbstlaub und Tüchern geschmückt, links und rechts je eine kleines Fässchen Wein postiert hatte, die Flaschenbatterien und Gläser aufgebaut, die Windlichter angesteckt und die Schmalzbrote aufgetürmt waren, schaute alles höchst solide aus. Jetzt waren auch ihre Nachbarn sicher, dass sie ein gutes Geschäft machen würde. Zwar ging es Barbara mehr darum, etwas für ihren Ruf zu tun, aber auch Kleingeld war allemal besser als kein Geld. Jeder neue Kunde war willkommen. Sollten einige Unverbesserliche mit Fingern auf sie zeigen, sie verhöhnen. Es war ihr gleichgültig.
    Es lag in der Natur der Sache, dass die Kundschaft vor der Mittagszeit wenig vom Wein wissen wollte. Außerdem war es noch ungemütlich frisch, schließlich stand in ein paar Tagen der Dezember ins Haus. Aber die Sonne schaffte gegen elf den Durchbruch, und es reichte wieder zu einem einigermaßen lauen Spätherbsttag. Diesem seit einer Woche dauernden prächtigen Martinssommer verdankte Barbara überhaupt die Idee für ihren Weinstand. Wäre es kalt gewesen, niemals hätte sie sich diese Arbeit gemacht. Mit Riecke wechselte sie sich den Vormittag über ab, einmal aus Langeweile, das andere Mal weil es irgendwann doch Verdruss bereitete, dem Gegenüber zuzuschauen, wie er eine Wurst nach der anderen verkaufte. Das Käseweib neben ihr machte ebenfalls Umsatz, und selbst der Bürsten-Höker, der nebenbei Schuhwichse verkaufte, wienerte ab und an ein paar Stiefel. Nur der Gipsgießer, der auf einem Brett am Boden die verschiedensten Figürchen und bemalten Statuetten feilbot, hatte noch weniger verkauft. Nämlich gar nichts.
    Also bummelte sie über den Markt, machte ein paar Verlegenheitskäufe, und jedes Mal wenn sie an ihrem eigenen Stand vorbeikam, musste Riecke ihr mit den Fingern anzeigen, wie viel Kunden am van Bergenschen Wein Geschmack gefunden hatten. Zu mehr als ein paar Kostgläschen, für die ein freiwilliger Obolus zu entrichten war, hatte es noch nicht gereicht. Bis zur Mittagszeit hatte sie zehnmal soviel ausgegeben wie eingenommen. Die Gemüse- und Fleischhändler sahen ihr bald belustigt nach. Die Obstfrau dagegen schenkte ihr mitleidig eine Birne. Immer unerträglicher wurde es, an den Scherenschleifern, Kesselflickern, Butterhändlerinnen und Kräuterweibern vorbeizuschlendern, immer wieder die gleichen Reihen der Tuch- und Dufthändler abzuschreiten und den drei Antiquaren ein Buch nach dem anderen abzukaufen. Ab elf gab wenigstens ein Feuer- und Schwertschlucker seine Kunststücke zum Besten, aber auch dies war nicht umsonst. Ein

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