Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
Vom Netzwerk:
sagte Johanna misstrauisch und schmiegte sich demonstrativ an Bernhard. »Damit Ihr mir von seinen Schwächen erzählt. Zwar trau’ ich ihm nicht zu, dass er ein Grobian ist, aber wer so redet, hat auch Geheimnisse.«
    »Gerne«, erwiderte Barbara, und als ob sie es herausfordern wollte, setzte sie hinzu: »Aber seine Geheimnisse hat er mir nicht verraten. Solche, die Ihr vielleicht meint, hat er nicht.«
    »Madame weiß nur, dass ich nicht peitsche«, sagte Bernhard, schaute Barbara aber nicht an. Der wurde es aber jetzt ungemütlich, allein schon deshalb, weil Riecke sie fragend anblickte und der Bauer sie mit Blicken maß, als wüsste er, wo sich ihr juckender Fleck befand.
    Nach einem befreiten Seufzer lächelte sie erst Johanna, dann Bernhard an und sagte: »Ihr Schatz, Monsieur voisin , mein Herr Nachbar, hat erzählt, Ihr hättet gesagt, mein Wein wär’ besser als der eigene, oui ? Dann biete ich ein Eimerchen Ruländer für den ersten Advent, ou i, wär es recht? Nur eine Bitte hätte ich dann. Ob Ihr ihn ein Stündchen vorher abholtet, wäre das möglich? Kellerfrisch? Es ist nur, mein Leiterwagen ist nämlich zerbrochen.«
    »Madame, es wird mir ein Vergnügen sein«, sagte Bernhard. »Von mir ein herzliches Dankeschön im voraus. Die Mutter wird jubeln. Johanna kann`s nur von ihr so ghört haben. So denn, Madame … « Bernhard verbeugte sich und hakte sich bei seinem Mädchen ein. Barbara verabschiedete sich mit einem vornehmen: »Monsieur«.
    27
    Die Nacht auf den ersten Advent hatte es leicht gefroren. Jenne war kaum die fünf Stufen zur Hausschwelle herunter, als sie kehrt machte, um sich aus ihrer Kammer doch noch den Wollumhang zu holen. Schließlich wollte sie nicht zu den Hühnern und in den Kuhstall, sondern zum Eichberg. Sie konnte sich Zeit lassen. Es war ziemlich früh, gerade etwas nach fünf. Die Dämmerung hatte sich noch nicht an das Sternenstreu herangeschlichen, und die klaren Umrisse der von Raureif benetzten Landschaft knisterten in jener heiteren Stille, die nur dem Winter eigen ist. Jenne mochte den unendlichen Raum über sich. Sie liebte die Erhabenheit dieser so selbstverständlich vor ihr funkelnden Welten, und auf ihrem Weg blieb sie immer wieder für einen Augenblick stehen, um zu schauen. Dabei seufzte sie zufrieden auf, hauchte ihren Atem in die Dunkelheit und griff im Scherz nach einigen Sternen, die sich, wenn sie die schwielige Hand öffnete, als kleine Wassertränen in den Klüften ihrer Haut verirrten.
    Verschwörerisch eins fühlte sie sich am heutigen Morgen mit dieser Welt. Die Gestalten von Bäumen, Sträuchern und Gräsern, die Formen von Steinen und Hügeln, selbst die schwarzen Schablonen des Horizonts verströmten eine magische Kraft, die ihr Gemüt auf wundersame Weise stärkten. Mit jedem Schritt, der sie näher zum Eichberg brachte, glaubte sie, in ein Geheimnis einzudringen, und fester und fester umklammerte sie den Stiel der kleinen Axt. Immer entschlossener härtete sich ihre Stirn, zischte sie die kalte Luft durch ihre Zähne, während sie zwischen den entlaubten Reben nach dem hellen Stumpf spähte. Und je näher sie an das schwarz hingestreckte Eichenskelett kam, je lauter tönten in ihr die Worte: Ein Fluch lebt auch im Geringsten fort.
    Die Bloßhäusler hatten bereits ganze Arbeit geleistet. Mehr als die Hälfte des Holzes war geschlagen. Im weiten Umkreis war der Boden zerschrammt vom Schleifen der Äste, war er übersät von hellen und dunklen Splittern. Fetzen und Späne waren zu einem blassen Teppich hingespritzt, auf dem ausgekeilte Trümmer, versägte Baumscheiben und Kleinholz lagen. Dunkle Matschflecke klebten am sauberen Holzfleisch, zwischen dem Gewirr der ineinander verzackter und gewaltsam eingerammter Äste steckten Tuchfetzen und Brotabfälle. Wie Raubtiere hatten die Bloßhäusler die Krone auseinandergerissen, hatten sich ihre Äxte und Sägen in das angekreidete, in Besitz genommene Holz gefressen. Ungelenke Zahlen und Namen waren zu erkennen, bei genauerem Hinsehen ordneten sich die zugeeigneten Holzmengen zu einem Rund um den Stamm, zu kleinen Inseln, in denen jeder sich Stück für Stück den Baumkörper verfütterte. Jenne musste aufpassen, dass sie sich nicht in den eigensinnigen Fallen und Gabeln der Äste vertrat. Bequemer hätte sie es gehabt, wenn sie die eine Gasse gegangen wäre, die gerade auf den Stamm führte. Aber dies traute sie sich nicht, denn zu fürchterlich war der drohendschwarze Schlund anzusehen, dessen

Weitere Kostenlose Bücher