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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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»Kleinigkeiten« mit dieser »Madame« verwünschte.
    Barbara wurde von einem kurzen Übelkeitsanfall erfasst, während sie sich erhob. Und als sie wieder auf den Beinen war, wunderte sie sich, dass sie nicht wild losheulte. Seltsamerweise spürte sie keinen Hass, fühlte auch keinen Ekel. Mechanisch brachte sie sich wieder in Ordnung, tastete sich nach schmerzenden Stellen ab. Immer leichter wurde ihr dabei ums Herz, eine große Last fiel von ihr ab. Monate und Jahre hatte sie dieses Stück Angst vor Enthüllung mit sich herumgeschleppt. Jetzt war sie davon befreit. Alles würde sie Bernward erzählen. Dass er ihr verzeihen würde, daran gab es für sie auf einmal keinen Zweifel mehr. Was geschehen war, kam ihr vor wie ein reinigendes Gewitter, und als sie Jacob in den Kellereingang treten sah, lächelte sie erschöpft, aber siegessicher.
    »Ich will mich in eure Händeleien nicht einmischen«, sagte Jacob, während er mit verbissenen Zügen auf sie zuhumpelte. »Doch wenn er grob geworden ist, bitt’ ich für ihn um Verzeihung. Ob er Grund gehabt hat, ist da nicht wichtig.«
    »Oh, wie nett«, sagte Barbara ruhig. »Der Herr Sohn zerfetzt mir die Schenkel und der Herr Vater gesteht ihm noch einen Grund zu. Ich weiß gar nicht, warum er so aufgebracht davon ist? Habe ich seiner triebhaften Seele weh getan?«
    »Wir wollten ihr Fass holen, Madame«, versuchte Jacob ebenso ruhig zu sagen, aber seine Stimme zitterte leicht. »Das andere geht mich nichts an. Aber wer einen Schnitzer Bastard schimpft, der …«
    »… ja, was?«, rief Barbara höhnisch. »Der werden die Röcke zerrissen und so weiter, ist’s das? Dafür weiß er jetzt, dass er ein Bastard ist!«
    »Ihr Hundsfott!«, schrie Jacob unbeherrscht auf und ging drohend auf sie zu, seine Rechte zur Faust geballt. Doch Barbara ließ sich davon nicht beeindrucken, zu sehr humpelte Jacob, um ihr gefährlich werden zu können.
    »Was regt Ihr Euch so auf?«, rief sie. »Als ob es fürs Leben wichtig ist, wer die Eltern sind! Schaut mich an! Ich bin sogar ein Findelkind! In Breisach großgemacht, aber in Tennenbach über die Klostermauer geworfen. Für dies Geheimnis lasst mir Maria in Ruh’!«
    Barbara griff nach ihrem Reisigbesen, um ihren Worten mit dieser betont belanglosen Geste Nachdruck zu verleihen, doch ganz entgegen ihrer Erwartung schwieg Jacob, trat zwei Schritte zurück und starrte sie mit erstauntem, aber gleichzeitig entsetztem Gesicht an. Barbara merkte, wie er um Fassung rang, während seine Augen wie irr über sie wanderten und sich dann zu Schlitzen verzogen, als ob sie angestrengt etwas suchten.
    »Was ist?«, fragte sie beiläufig und machte eine längere Pause, in der sie besonders geschäftig an irgendwelchen Winzerutensilien räumte. »Ihr tut so überrascht, dass ich denken könnt` …«
    »So, Madame ist ein Findelkind?«, sagte Jacob leise und verpresste ein Lächeln. »Hätt` sie dies früher erzählt, ihre Rätselei …«
    »Ich bin darüber hinweg«, entgegnete Barbara kalt. »Wollt Ihr mir eine Geschichte erzählen? Könnt Ihr. Aber ich glaub’ sie nicht. Und jetzt nehmt das Fass oder lasst es bleiben.«
    »Ich woll` Euch nur ein Angebot machen, Madame«, sagte Jacob mit einem teuflischen Lächeln. »Meine Wahrheit gegen Euer Stillschweigen. Es hat, wisst Ihr`s nicht?, gewittert an dem Tag …«
    »Ich will es nicht hören, Jacob Schnitzer!«, schrie Barbara verzweifelt. »Was ist es Euch wert, wenn ich schweige? Damit sie im Dorf nicht über den Bastard lachen? Habt Ihr mich ausgesetzt, ja? Natürlich! Dann passt es ja auch, dass Ihr beim Holzschlagen gemordet habt!«
    Jacob stierte Barbara nur eine Sekunde an, dann griff er in eins der Flaschengestelle und schleuderte mehrere Flaschen zu Boden. Kein zweites Mal würde er sich in seinem Leben erpressen lassen, brüllte er außer sich und fluchte Namen und Ereignisse heraus, die sich Barbara erst Stunden später als Mosaiksteine ihrer Herkunft zusammensetzten konnte. In rasender Angst um ihre Flaschen griff sie Jacob mutig mit dem Reisigbesen an, schaffte es auch, ihn von ihrem Gestell wegzustoßen, aber die eine in seiner Hand verbliebene Flasche galt jetzt ihr. Sie sah, wie Jacob ausholte und schloss vor Entsetzen die Augen. Doch in der Sekunde, in der sie das Allerschlimmste erwartete, traf sie mit dem Stiel ihres Besens die Wunde. Mit einem grässlichen Schrei bäumte sich Jacob auf, wankte mit hoch erhobener Flasche und fiel rücklings auf den Boden. Dabei krachte die Flasche

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