Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
schmückten, stellte Senffäßchen dazu und eine Schüssel mit eingelegten Gurken. Mehr brauchte sie nicht anzubieten, denn alle Poltergäste hatten bereits zu Abend gegessen. Einige Frauen hatten trotzdem Brot und Butter gebracht und auch wenn manch einer mehr an den steinharten Wurstscheiben lutschte, als dass er in sie hineinbiss: Niemand verzog das Gesicht. Das Wichtigste war eh der Wein. Riecke hatte ein kleines Fass Ruländer aus dem Keller frei gegeben, das in seinem Fassbock schnell zum Zentrum der Geselligkeit geworden war.
Nach einigen Komplimenten gelang es Riecke, einen der Gäste zum Violinspiel zu verleiten. Denn so ganz ohne Absicht habe er seine Fidel doch wohl nicht mitgebracht! Umständlich stimmte der zum Spielmann Gekrönte seine Geige, verzog dabei das Gesicht und griff immer wieder zum Kolophonium, um den Bogen zu schmieren. Es sollte nicht viel nützen: Sein Spiel jaulte so lange, bis der Wein seine Wirkung entfaltete und die Griffe sauberer machte. Schließlich klang die Musik in den vom Ruländer und Lärm betäubten Ohren halbwegs erträglich und der Spielmann, von seinen Fortschritten berauscht, erging sich in immer neuen Weisen.
Selbstverständlich drängte es die Herren Kavaliere zu Barbara, die sich auch willig führen ließ, obwohl sie keinen einzigen Tanzschritt beherrschte. Höfisch sollte es auch gar nicht zugehen, und das einmal vorgetragene Menuett geriet zu einem klobigen Hüpfen, das bald verdross. Lieber vergnügte man sich im einfachen Reigen und mit schnellen Drehern nach Art des Walzers. Das Drehen war die Hauptsache und ob in der Diele oder der Stube: Niemand wurde den schließlich immer gleichen Melodien überdrüssig.
Dann schlug es elf: Das Geisterbändeln kostete Barbaras letzte Kräfte und wenn es polterte, dann bei diesem Brauch. Das jüngste Mädchen der Gesellschaft brachte einen Korb mit roten Stoffbändern, von denen Barbara je eins an die Füße der Poltergeistergesellschaft binden musste. Diese durften sich zwar nicht von der Stelle bewegen, wohl aber hüpfen und trampeln. Kein Geist sollte nach diesem Krach mehr das Hochzeitshaus betreten können. Ausgestampft und symbolisch gefesselt von den roten Bändern, hatte die Braut sie besiegt. Mit einem großen Galopp durch das Haus, mit Barbara und Riecke an der Spitze, endete das Fest. Man wünschte sich eine gute Nacht und ebenso plötzlich wie der ganze Spuk begonnen hatte, war er wieder vorbei.
Todmüde fiel Barbara auf einen Stuhl und hatte nichts mehr einzuwenden, als Riecke sie energisch in den zweiten Stock schickte. In ihr Zimmer, in dem ein Himmelbett auf sie wartete. Ein Bett mit geschnitzten Bacchusszenen, über die sich mit altrosa Damast bezogene Kissen und Decken wölbten.
Das erste Mal in ihrem Leben stieg Barbara nackt in ein Bett. Den seidenen Nachtrock anzuziehen, der an ihrem Schrank hing, wollte sie sich für morgen aufheben. Doch noch bevor ihre Sinnlichkeit sich an der kühlen, glatten Bettwäsche entzünden konnte, verwirrten sich ihr schon die Bilder. In dunkle Keller verfolgten sie die Melodien des Spielmanns, Schwestern erhoben drohend den Zeigefinger und der Torwächter küsste ihren nackten Leib zwischen den Zeilen wildwuchernder Reben. Dann schneite es rote Bänder von der Eiche, die sich nicht um die Äste wickeln lassen wollten, so sehr sie sich auch bemühte.
5
Mit einem silberhellen Glöckchen weckte Cees van Bergen seine Braut. Über dem Arm ein himmelblaues Hochzeitskleid nach französischer Mode freute er sich schon auf Barbaras Gesicht und es bereitete ihm größtes Vergnügen zuzusehen, wie das Geklingel allmählich ihre Traumwelten verscheuchte.
»Wünsche wohl geruht zu haben, Euer Liebden«, sagte Cees mit einem Lächeln in der Stimme, als Barbara endlich blinzelte. Er trat einen Schritt zurück und breitete mit dem Schwung eines Couturiers das Hochzeitskleid über einen Armsessel. Barbara schnellte hoch, hatte jedoch ganz und gar vergessen, dass sie unbekleidet war. Doch nur für einen kurzen Moment bekam der Bräutigam zu sehen, was ihm in der Hochzeitsnacht gehören sollte. Die Kühle des Zimmers erinnerte Barbara augenblicklich an ihre Blöße und genauso schnell wie sie aufgefahren war, hatte sie sich wieder unter die Bettdecke gestreckt.
Cees tat einen verliebten Seufzer, machte eine tiefe Verbeugung und öffnete den Schrank am Fußende von Barbaras Bett.
»Liebden befehlen, und ich werde Ihnen Kammerzofe Riecke schicken«, sagte er und legte das seidene
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