Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
eine rostige Stimme bat um Geduld. Barbara begann zu ahnen, dass ihr Holländer nicht zu Hause war und überlegte fieberhaft, was sie dem Torwächter sagen würde, wenn die alte Riecke sie nicht aufnehmen wollte. Denn der musterte sie jetzt ausgiebig, ja, tastete sie förmlich mit seinen Augen ab. Dass sie hübsch war, wusste sie, doch als der Kerl sie angrinste und dann leise zu trällern begann: »Jungfernkränzchen, Hochzeitsständchen. Jungfernpfand dann Ehestand. Muss ich nur einmal gut fegen, bis ich hab’ den Kindersegen«, schoss ihr die Schamröte ins Gesicht.
Nach einer kleinen Ewigkeit öffnete Riecke endlich die Tür: Ob diese Person hier bekannt sei und ob es stimme, dass sie morgen ihren Herren heiraten wolle, wurde die alte Haushälterin barsch gefragt. Verwundert nickte die alte Frau und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie gewahr wurde, wie aufdringlich nah der Torwächter hinter Barbara stand. Dann wünsche er eine gute Nacht, sagte dieser grinsend und schob Barbara wie ein kleines Kind an den Hüften in den Hausflur.
»Ihr habt ihn überraschen wollen, Barbara? Ich seh’s Euch an der Nasenspitze an«, sagte die Haushälterin munter und geleitete Barbara in die Stube. »Aber nur der Himmel weiß, wo Cees sich aufhält.«
Vor Verlegenheit brachte Barbara keinen Ton heraus. Wie ein ungezogenes Kind, das von zu Hause ausgerissen war, stand sie jetzt da. In der wohlhabend eingerichteten Bürgerstube kam sie sich in ihrem schwarzen Schwesternkleid geradezu nackt vor. Und es schien ihr, die Nonnen in Breisach bestraften sie jetzt mit einem bösen Gebet. Dabei stand ihr das gerade geschnittene, in der Hüfte gegürtete, faltenlose Kleid ausgezeichnet. Der weiße Leinenwurf über Schultern, Rücken und Brust war auf ihre Figur geschnitten und obwohl sie jederzeit als Kind der Nonnen zu erkennen war, lenkte ihre unverschleierte Jugend, ihr federnder und hüftbetonter Gang die Gedanken der Männer auf ganz und gar unschwesternhafte Dinge. Diesem Umstand hatte sie die dauernden Nörgeleien an ihrem Auftreten zu verdenken. Es genügte, wenn sie bloß einmal den Kopf mit ihren schwarzen Locken nach hinten warf, lächelte, sich umsah und dabei zufällig einen jungen Burschen ins Auge fasste: Schon hagelte es Rüffel von den eifersüchtigen alten Jungfern. Denn dies hatte Barbara früh gelernt: Auch die Bräute Christi genossen es, wenn ein gut gewachsenes Mannsbild sie ansah und ihnen auf den unter schimmernder schwarzer Serge verborgenen Busen blickte.
Die alte Riecke schien Barbaras Gefühle zu erraten und sagte: »Zeit heilt alle Wunden, Barbara. Morgen seid Ihr Hausherrin.«
»Danke, Riecke«, seufzte Barbara und versuchte zu lächeln. »Nun sitze ich da wie ein begossener Pudel. Schneller Entschluss bringt bald Verdruss. Dieses Sprichwort werd’ ich künftig beherzigen.«
»Aber die schnellen Entschlüsse sind die besten, sagt ein anderes Sprichwort«, erwiderte Riecke und tätschelte Barbaras Hand. »So wahr ich nicht mehr ganz jung bin: Heute wollen wir noch etwas poltern, dass es Euren Nonnen im Schlaf in den Ohren klingen soll. Die Sitte will es so. Und weil’s im Kloster nun mal nicht gehen kann, eben im Haus des Bräutigams. Und das Entree beginnen wir mit einem kleinen Mahl und einer Bouteille Champagner!«
Riecke duldete keinen Widerspruch. Bald züngelte im blauweiß gekachelten holländischen Kamin ein Reisigfeuer, und die Sorge um den Erhalt der Flammen lenkte Barbara zusehends von ihrer gedeckelten Laune ab. Mit jedem Scheit, das zu qualmen anfing, fühlte sie sich besser, was natürlich auch am süßen Portwein lag, den Riecke ihr eingeschenkt hatte. Nach einigen Minuten brachte die Alte einen großen fünfarmigen Kerzenleuchter, den sie auf eine wuchtige eichene Kredenz stellte. Doch Barbara hatte kaum einen Blick dafür übrig, denn Riecke reichte ihr den Champagner – eine Flasche aus der Kellerei Moët in Epernay. Ihre Polterhäppchen seien auch gleich fertig, rief sie und verschwand wieder einen Stock tiefer in die Küche. Barbara machte der Duft frisch gebratener Hühnerleber schlagartig Appetit, aber noch ungeduldiger brannte sie darauf, die Flasche zu entkorken. Doch sie wusste auch, dass mit jeder Minute, die die Flasche offen dastand, etwas vom kostbaren Mousseux starb und im Übrigen gebot ihr die Höflichkeit, zu warten.
Endlich kam Riecke mit einer Pfanne, einem Laib Weißbrot und einer Schüssel voll Feldsalat. Zum Nachtisch gab es Käse und
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