Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
raffiniert komponierten Cuvee kann am Schluss ein vulgärer Mousseux geworden sein. Aber« – Monsieur Ruinart hielt das Glas ins Kerzenlicht und nickte zufrieden – »das Geschäft in Amsterdam machen Gosset und Taittinger fast ganz allein. Ist es da nicht verständlich, dass ich bei der Vorstellung eifersüchtig werden muss, wenn Madams Lippen nicht von einem Ruinart geküsst werden, sondern von der Konkurrenz?«
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Bald ein Jahr lag der Besuch bei Monsieur Ruinart zurück. Freude am Geschäft und Sympathie für die Madame aus Holland hatten sich in den ersten Tagen noch im Lot gehalten, aber nach einer Woche war die Waagschale bleischwer auf die Seite der Sympathie gekippt. Denn unschuldig unabsichtlich brachte Barbara ihre Saiten verführerischer Fraulichkeit zum Klingen, so dass – ganz Mann von Welt – Monsieur Ruinart sich auf Dauer unmöglich dieser Melodie entziehen konnte.
Die Holländer Madame entpuppte sich als intelligente, verblüffend gezielt fragende Circe, die ihren Lehrmeister allmählich in einen linkischen Verehrer verwandelte. Zwar keimte diesem durchaus einmal der Verdacht auf, Barbara sei nichts anderes als die genialische Waffe der Konkurrenz, gleichsam deren Spionin in der Gestalt der Aphrodite, aber sobald Monsieur Ruinart an ihrer Seite in der Dunkelheit seines Kellers Weine verschnitt, den zur zweiten Gärung notwendigen Süßlikör zusetzte oder ihr gar einmal erlaubte, eine Flasche zu dekantieren – sobald er also in ihrem Dunstkreis das zur Champagnerherstellung erforderliche Handwerk verrichtete: da war alles vergessen, und die Stimme des Herzens besiegte die der misstrauischen Vernunft.
Barbara erfuhr allerlei Geschichtchen, und Monsieur Ruinart wurde nicht müde, über engstirnige Priester zu wettern, die von der Kanzel herab die berauschend-schäumenden und zuweilen explosiven Eigenschaften des Champagners als Werk des Teufels brandmarkten.
Die hübscheste Geschichte davon war sicherlich die, in der ein Geistlicher bei einem Bürgerehepaar logierte und nachts großen Anfechtungen des Teufels ausgesetzt war.
»Sag an, du böser Geist: Was forderst du von mir, dass ich endlich Frieden vor dir finde«, fragte der Geistliche schließlich den Teufel, der nur darauf gewartet hatte. Und der antwortete: »Drei Stückchen zur Auswahl stell’ ich dir, wovon das erste ist: Brich die Ehe mit der Frau, in deren Haus du wohnst.«
Entrüstet wies dies der Geistliche von sich, und so machte ihm der Teufel den zweiten Vorschlag: »Dann schlag ihren Mann tot und brich dann die Ehe.« Der Geistliche reagierte natürlich noch viel entsetzter auf dieses Ansinnen und forderte, das dritte Stückchen zu hören. Listig sagte da der Teufel: »So werde wenigstens einmal voll vom Champagner.«
Dies schien dem Geistlichen angemessen, er willigte ein. Der Teufel schaffte ihm drei Bouteillen herbei und der Geistliche betrank sich. Doch dann geschah es: Nach der zweiten Bouteille wurde der Geistliche so wollüstig, dass er die Ehe brach und sich unkeusch mit der Frau vergnügte. Und nach der mit ihr genossenen dritten Flasche erschlug er auch deren Ehemann, der die beiden bei ihrem Treiben erwischte. So erfüllte er alle drei Wünsche des Teufels und seitdem heißt es vom Champagner: Die ersten beiden Flaschen bringen Wollust und Rausch, die dritte das Verbrechen.
Es war eine goldene Zeit für Philippe Ruinart und als die van Bergens nach einer Woche über Epernay, Nancy und Straßburg wieder in deutsche Lande reisten, war er aufrichtig traurig. In entzückender Erinnerung blieb ihm ein kurzer, sündhaft feuchter Kuss, den Barbara ihm am letzten Tag bei der Verkostung eines Jahrgangschampagners gegönnt hatte und – nach der zweiten Flasche – ein ebenso sinnlich ausgehauchter Seufzerschrei, mit dem sie sich im heimeligen Kerzendunkel des Kellers wenig überzeugend seiner sehnsüchtigen Attacke auf ihre Lippen erwehrt hatte.
Barbara war klug genug gewesen – Monsieur Ruinart hätte dies als schnöd spionierende Gerissenheit bewerten müssen, wenn es ihm entdeckt worden wäre -, jeden Abend ein Gedächtnisprotokoll anzufertigen. Zu Hause brachte sie alles in die richtige Ordnung, machte ein System daraus und nach ein paar Wochen zeigte sie Cees stolz ihr Bréviaire de Champenoise , in dem der Schatz der Ruinart’schen Erfahrungsregeln den einzelnen Arbeitsgängen der Champagnerherstellung zugeordnet war. Mit diesem »Brevier«, erklärte sie, wäre den nach der Lese beginnenden Schwierigkeiten
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