Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
sich als mein Gast. Das ist das Geringste, was ich Ihnen nach diesem Auftritt schuldig bin.«
Philippe Ruinart mochte zwischen dreißig und vierzig stehen, hatte ein breites Gesicht mit von Lachfältchen gerahmten Augen, von denen der Blick aber gleich auf den markigen Grad seiner großen Nase gezogen wurde, die sich über den genießerischen Lippen zu einem wahrhaft majestätischen Massiv auftürmte. Bevor Cees sein Kaufanliegen vorbrachte, tauschte man noch ein paar Höflichkeiten aus und Barbara schlug das Herz bis zum Hals, als ihr Mann umständlich bat, ob der so hoch verehrte Monsieur seiner Frau nicht ein paar Einblicke in die Champagnerherstellung gewähren könne. Er als Holzhändler wisse nur, dass aus Eichenholz Weinfässer gemacht würden. Seine Frau entgleite bei jeder gemeinsam geleerten Flasche aber jedes Mal in einen dem Genuss abträglichen Fragerausch, und allmählich sei es ihm leid, sie immer nur mit neuem Champagner zum Verstummen bringen zu können. Auch werde dies selbst für einen Geschäftsmann mit der Zeit zu teuer, denn die Mengen würden jedes Mal ein wenig größer. Und so sehr er seine Frau liebe, in den Bankrott wolle er sich von ihr, wofür Monsieur gewiss das beste Verständnis aufbringen könne, nicht reißen lassen.
Monsieur Ruinart runzelte die Stirn und in seine Augen schlich sich eine misstrauische Schärfe. Barbara erlitt unterdessen einen Kribbelanfall, so sehr zwang sie sich, gleichmütig beherrscht zu wirken. Cees spielte den um sein Geld besorgten Geschäftsmann bravouröser, als sie es ihm zugetraut hatte. Am liebsten hätte sie losgeprustet, aber es blieb ihr nichts weiter übrig, als einen schmachtenden Blick aufzusetzen, mit dem sie abwechselnd ihn und Monsieur Ruinart anschaute.
»Was es nicht alles gibt«, sagte dieser trocken. »Trotzdem ehrt es mich, dass Sie an mich gedacht haben, Ihren – Gott behüte Sie davor – Bankrott abzuwenden. Allerdings – frei herausgesprochen -, jeder hat so seine Geheimnisse. Sie verstehen das, nicht wahr?«
Aufmerksam forschte er in Cees’ Gesicht, der eine gekränkte Miene aufsetzte und hilfesuchend zu Barbara blickte.
»Cees«, sagte sie streng, »ich danke dir, dass du mich mit so hübschen Farben vorgestellt hast. Dass Monsieur Ruinart noch die entfernteste Güte aufbringen sollte, mir etwas von seiner Kunst zu zeigen, glaube ich nun gewiss nicht mehr. Einer trunksüchtigen, im Geist zurückgebliebenen Frau gegenüber darf er es gar nicht. Sonst wäre es gegen die Ehre.«
»Madame!« rief Monsieur Ruinart erschrocken. »Sie tun mir bitterstes Unrecht an! Wagte jemand, derartig abscheuliche Gedanken mit Ihnen in Zusammenhang zu bringen, ich forderte ihn auf der Stelle zum Duell!«
Cees verneigte sich lächelnd und küsste Barbara auf die Wange. Dann sagte er: »Ich bin Monsieur Ruinart zu ewigem Dank verpflichtet. Ihm und Dir zur Ehre kann ich es nur gutmachen, wenn ich ihn bitte, uns ein halbes Dutzend Kisten zu überlassen.«
»Sie schmeicheln mir und zwingen mich damit«, seufzte Monsieur Ruinart. »Und mit Verlaub, Monsieur van Bergen: Ihr Ungeschick Ihrer so klugen und charmanten Gattin gegenüber war schon Grund genug, mich umzustimmen.«
Bekümmert blickte er in die still leuchtenden Kerzen, doch nach kurzer Überlegung hellte sich seine Miene auf.
»Sie wollen auf Wechsel kaufen?« fragte er zögernd.
»Nein«, sagte Cees selbstbewusst. »Ich habe in Straßbourg zum Glück Credit, so dass es mir bis auf etwas Reisegeld nicht draufankommt. Aber – auf die Gefahr eines neuen Fauxpas: Wäre Ihr Entgegenkommen mit Golddukaten aufzuwiegen?«
Monsieur Ruinarts Lachfältchen gerbten sich tief in sein Gesicht und selbst seine gewaltige Nase schien vor Zufriedenheit zu lächeln.
»Verfügen Sie über mich, Madame«, flüsterte er, und zu Cees gewandt: »Man soll feiern, wenn es einem danach ist. Sie werden die Champagne in guter Erinnerung behalten – vorausgesetzt, Sie fühlen sich bei mir wie zu Hause. Doch ein Geschäft will an Ort und Stelle begossen werden. Madame, Monsieur: einen Moment bitte.«
Monsieur Ruinart verschwand in der Dunkelheit seines Kellers und kam mit einer Flasche zurück. Bevor er einschenkte, sagte er verschmitzt: »Ich glaub’, ich muss dem Camille in Reims ein Geschenk machen. Denn nur er kann es gewesen sein, der Sie zu mir geschickt hat.«
Lachend fuhr er fort: »Als ob Sie, Madame, die Weinberge oder Fässer mitnehmen könnten! Das Handwerk ist der geringste Teil. Aus einer
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