Blutholz: Historischer Roman (German Edition)
vollendeten Reife gebracht wurde – einmal ganz abgesehen von der Kunst, das dabei entstehende Schäumen, die Mousse, so in der Flasche zu halten, dass diese nicht platzt. Denn davon hatte man oft gehört: ganze Kisten, die im Sommer über die Straßen gerumpelt wurden, waren explodiert, und Cees erzählte, wie er einmal in Lahr unfreiwillig zum Zeugen einer solchen Detonation de bouteilles geworden war.
Vor Jahren, auf einer Rückreise aus Straßburg sei es passiert: Weil man bekanntlich in Lahr wegen des alten Privilegs, steuerfrei Handel treiben zu dürfen, Champagner und vor allem spanische Süßweine billig einkaufen könne, habe er dort eine Kiste Malaga erstanden, um sie nach Burkheim zu schmuggeln – was für den Preis einer Bestechungsflasche und etwas Schmiergeld im übrigen auch gelungen sei. Heiß sei es an diesem Tag gewesen und nach dem Kauf war Cees um die Mittagszeit in eine Schankstube eingekehrt – ziemlich früh, denn der Tisch am Fenster war noch frei. Kurz danach sei ein Fuhrknecht irgendeines Landadeligen vorbeigekommen, hinter dem Bock den Karren voller Wein- und Champagnerkisten. Geistesschwach müsse der Kerl gewesen sein: Den Gaul nämlich hatte er in den Hausschatten traben lassen, die Ladung hingegen wäre weiterhin der prallen Sonne ausgesetzt gewesen. Auf eine Rast war der Fuhrknecht in die Schankstube gekommen, hatte sich einen Krug Bier bestellt und alle zehn Minuten nach der gemächlich vor sich hin köchelnden Ladung glotzte – ob auch gewiss niemand etwas stehlen würde!
Aber dann sei passiert, was zu befürchten gewesen war: Es setzte drei, vier helle Schläge und aus den zuoberst liegenden Kisten hatte es zu tropfen begonnen. Eine Batterie von einem Dutzend Flaschen hatte es zerrissen, wie sich später herausstellte und gleich waren die Gassenbuben zur Stelle gewesen, die sich mit aufgerissenem Mund unter die kostbaren Rinnsale beugten. Ein besonders Vorwitziger wollte sich sogar eine Kanne abfüllen, aber so weit sei es nicht mehr gekommen. In seiner Verzweiflung und Wut hatte sich der Fuhrknecht nämlich derart die Hand aufgeschnitten, dass einige Kisten ausgesehen hätten, als wären sie voller Munition gewesen, die im falschen Moment hochgegangen sei. Seitdem sehe er, Cees, beim Kauf immer danach, starkwandige Flaschen zu bekommen.
Für eine Weile verdarb Cees seiner Frau mit dieser Geschichte die Laune. Barbara begann zu grübeln, wie sie zu Hause an die entsprechenden Flaschen kommen könnte. Zwar wusste sie vom dicken Rudolf, dass die Zisterzienser zwischen Emmendingen und Tennenbach eine Glashütte betrieben, aber ob man ihr dort auch dickwandige Flaschen würde machen wollen, bezweifelte sie. Cees konnte sie erst nach längerem Zureden beruhigen. Bei entsprechender Bezahlung, sagte er, sei mit den Brüdern alles zu machen, da spreche er aus Erfahrung. Außerdem könne er sich nicht vorstellen, warum ausgerechnet das Mantelkind der Mönche nicht geschäftswürdig sein solle. Schließlich sei es selbst ihm, dem Reformierten, gelungen, mit ihnen Verträge auszuhandeln. Der Name van Bergen stünde für gut verdientes Geld und dass er in Tennenbacher Forsten so viel Holz schlagen dürfe, sei der beste Beweis, in welchem Ansehen er stünde – vollkommen unnütze Sorgen mache sie sich also.
Am übernächsten Morgen war es dann soweit: Abreise ins Herz der Champagne, nach Épernay. Cees hatte kurzentschlossen den Zweisitzer samt Pferd gekauft. Als Kaufmann versicherte er, würde er beides in Freiburg gewiss wieder losschlagen können, vielleicht nicht mit Gewinn, aber bestimmt Kosten deckend. Somit konnten sie sich also ganz nach eigenem Geschmack die Zeit einteilen.
Das erste Ziel in der Montagne du Reims war das Dorf Sillery. Barbara hoffte, dort einen der Ruinarts kennen zu lernen, denn von ihrem Reimser Wirt hatte sie erfahren, dass dies das einzige Champagnerhaus wäre, das alle Geheimnisse des Dom Perignon kenne. Zwar hatte sie bald begriffen, dass dies nur ein Sprüchlein war, das der Wirt jedem neuen Gast ins Ohr flüsterte, weil er ausschließlich Ruinart ausschenkte und die anderen, wie den Moët, Taittinger oder Gosset gar nicht führte, aber ein kleines bisschen Wahrheit steckte doch dahinter.
Nicolas Ruinart hatte sein Haus als Leinenhändler 1729 nebenerwerbsmäßig gegründet, vierzehn Jahre nach dem Tod des legendären Benediktinerbruders Pérignon. Aber Nicolas’ Onkel, der Reimser Priester und Gelehrte Thierry war Pérignons enger Vertrauter – und
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