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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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lag es da nicht nahe, anzunehmen, dass Thierry seinem Neffen Nicolas manch kleines Geheimnis des Champagnerurvaters zugesteckt haben wird? Der Ruinart war wirklich vortrefflich – trotzdem hätte Barbara nie der einen oder anderen Marke den Vorzug geben wollen. Dazu war sie noch viel zu unerfahren. Doch ihr Vertrauen auf das Körnchen Wahrheit wurde vom Glück belohnt. In der einzigen Schankstube des Dorfes zeigte der Wirt wortlos auf einen laut gestikulierenden, untersetzten Mann mit speckig glänzender Lederschürze, der eine Tischrunde von fünf würfelspielenden Winzern gerade zum Lachen brachte, indem er einen Greis mimte, dem ein Hexenschuss ins Kreuz gefahren war.
    Barbara erntete berstendes Gelächter, als sie fragte, ob sie die Ehre hätte, Monsieur Ruinart gegenüberzustehen. Aber noch während sie ziemlich erschrocken in die derben Gesichter blickte, verbeugte sich der so Angesprochene vor ihr, zeigte mit beiden Händen auf sich und sagte übertrieben bekümmert: »Ich? Monsieur Ruinart? Madame, Sie erweisen dem Falschen zu Leide die Ehre, von Ihnen angesprochen zu werden. Ich wär’s gern, aber der da oben im Himmel wollte, dass ich Monsieur Philippe nur diene.«
    Sie hofften, ein paar Flaschen von seinem Herrn zu erwerben, sagte darauf Cees, der beruhigend seinen Arm um Barbaras Hüfte legte, was die Runde mit grinsendem Blick kommentierte. Aus Amsterdam sei man, auf Durchreise ins Burgundische. Vielleicht sei es ungewöhnlich, aber seinen Herrn kennen zu lernen, wäre ihnen höchste Ehre und Vergnügen.
    »Beides wird ganz auf seiner Seite sein«, antwortete der Diener jetzt ungekünstelt. »Ich führe Sie gleich in seinen Keller. Und bitte entschuldigen Sie, ich hab’ eine Sau abstechen müssen, und deren Quieken vergisst man am ehesten bei ein paar Bechern.«
    Ohne sich zu verabschieden, drehte er der Runde den Rücken und warf dem Wirt auf dessen Frage, ob er schon wieder anschreiben lassen wolle, mit einem triumphierenden Blick eine Münze zu.
    Er heiße Jean und sei das Mädchen für alles, erzählte er, während er sich neben Cees in den Zweisitzer quetschte, natürlich nicht ohne vorher die Lederschürze abzunehmen. Auch wenn sein Herr sich längst einen zweiten Diener würde leisten können, großzügig wie ein Champenois eben sei, zahle er lieber für doppelte Arbeit den anderthalbfachen Lohn. Und so schlecht sei dies gar nicht, denn er, Jean, sei zum Glück gewitzt genug, die beiden Mägde an dieser doppelten Arbeit geringfügig zu beteiligen.
    Das langgestreckte Ruinart’sche Haus lag am Dorfrand, ruhte auf einem Fundament aus groben Kiesel- und Schieferbruchsteinen und war mit gelbem Kalkschlamm verputzt. Vom hohen Obergeschoss führten vier große Fenster auf die Straße, die für dörfliche Verhältnisse erstaunlich gut befestigt war. Die schmalen, verliesartigen Schlitze im Fundament verrieten große Kellerräume, zu denen man über die Rückseite des Hauses gelangte. Ein riesiges, an Ketten gehaltenes Holzdach schützte dort einen breiten Eingang, durch den ein großer Fuhrkarren auch mit bis zu drei aufeinandergestapelten Fässern bequem hindurchfahren konnte.
    »Monsieur!« brüllte Jean. »Besuch aus Amsterdam! Kundschaft!«
    Cees drückte er eine Öllampe in die Hand und dann ging es durch ein Labyrinth von Räumen. Vorbei an bis unter die Decke gestapelten, sorgfältig beschrifteten Fässern, an vollen und leeren Flaschenlagern, durch Räume mit allerlei Herbstgeschirr, Hacken, Körben voll Roggenstrohbändern und Küferzubehör. Der Duft des Weins war allgegenwärtig und im Kelterraum erschnupperte Barbara noch Reste des süßen Mosts, der erst vor kurzem aus den Trauben gepresst worden war. Mit jedem Schritt wurde man durstiger und als sie im Schein von Kerzen und Öllampen endlich Monsieur Ruinart erblickten, mussten Cees und Barbara unwillkürlich heftig schlucken.
    »Monsieur!« rief Jean noch einmal, doch kaum, dass er das Wort ‘Besuch’ hinterher setzte, hagelte es einen ärgerlichen Rüffel des Patrons.
    »Bin ich taub, Jean, oder was? Ist das die Art, Gäste willkommen zu heißen? Mit Gebrüll wie in den Gossen von Paris?«
    »Es ist das Temperament«, sagte Cees begütigend. »Gestatten Sie: van Bergen, Amsterdam. Es tut uns leid, wenn wir Sie stören.«
    »Aber Madame et Monsieur, ich bitte Sie!« Philippe Ruinart küsste Barbara mit einem gewinnenden Lächeln die Hand und machte vor Cees eine tiefe Verbeugung. »Seien Sie herzlich willkommen und betrachten Sie

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