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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Pauw
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Strand.
    Aber sie schlug meine Hand weg und lief aus dem Zimmer. Ich hörte ihre wütenden Schritte auf der Treppe und danach einen Wortwechsel mit dem Nachbarn. Ich starrte das Poster über meinem Bett an und sagte laut: »Merkur ist der Planet, der der Sonne am nächsten ist. Danach kommt die Venus und dann die Erde.« Ich spürte, dass etwas Schlimmes passiert war.
    Zwei Tage später eröffnete mir meine Mutter, dass ich von nun an in der Dwingelerheide wohnen würde. Das wäre
gut für mich. Dort würde ich die Hilfe bekommen, die ich brauchte.
    »Aber ich will nicht weg von dir, Mama.«
    »Eines Tages wirst du mir dankbar sein. Vertrau mir.« Weil sie dabei lächelte, glaubte ich ihr.
    Aber dankbar war ich ihr heute noch nicht. Wie lange es wohl dauern würde, bis es so weit war?
    Bei dem Gedanken an meine Mutter, daran, was sie alles für mich getan hatte, fielen mir meine Fische wieder ein. Ich wollte unbedingt meine Fische wiederhaben.
    »Ich möchte auf meine Zelle«, sagte ich. »Ich bin müde. Und traurig. Aber vor allem müde.«
    »Gut«, sagte Mo. »Ich lass dich bis zum Abendessen allein.«

11
    Die Straße, in der Ray Boelens wohnte oder gewohnt hatte, bestand aus trostlosen Häuserblöcken aus den Fünfzigerjahren, bei denen man von der Straßenseite bis hinten in den Garten sehen konnte. Nach dem Krieg war es den Stadtplanern weniger auf Ästhetik angekommen: Alles war grau und ungepflegt, blass und unauffällig. Ich parkte meinen Wagen vor der Hausnummer 13.
    »Was machen wir?«, fragte Aron vom Rücksitz aus.
    »Wir suchen Ray. Ray ist der Chef von den Fischen.«
    »Kinkon?«
    In diesem Moment wurde mir klar, dass es nicht sehr geschickt gewesen war, das Thema Fische anzuschneiden. Aron hatte noch nicht wieder nach King Kong gefragt, ja er war auffallend lieb gewesen, und ich wollte, dass das so blieb. Manchmal kam mir Aron vor wie eine Heizung, die ab und zu entlüftet werden muss. Nach einem Tobsuchtsanfall war er immer ausgesprochen lieb und ruhig.
    Bevor er groß über King Kong nachdenken konnte, sagte ich hastig: »Wollen wir nachher ein Eis essen? Worauf hast du Lust? Auf Smartie-Eis oder die Rakete?«
    »Smartie-Eis!«
    »Gut, versprochen.« Ich hob ihn aus seinem Kindersitz und setzte ihn ab. »Jetzt kommst du brav mit, und wir gucken, ob Ray zu Hause ist.«
    Er ging an meiner Hand zur Haustür von Nummer 13.
Das Gebäude machte einen verwahrlosten Eindruck. Auch der Vorgarten war verwildert, trotzdem sah man, dass er früher durchaus gepflegt gewesen war. Damals hatte man hier Flieder, Hortensien und Rittersporn angepflanzt. Aber die verblühten Blumen wurden nicht mehr entfernt, die Pflanzen waren von Unkraut überwuchert, und die Hecke sah wie zerzaust aus.
    Vor dem Fenster hing ein ausgeblichener dunkelroter Vorhang. Er war zugezogen, obwohl es fast schon Mittag war.
    Ich hatte ein ungutes Gefühl, drückte aber trotzdem auf den Klingelknopf. Nichts geschah. Nachdem ich eine halbe Minute gewartet hatte, beschloss ich, es noch mal zu versuchen. Ich hörte, wie es irgendwo im Haus klingelte. Nach einer halben Ewigkeit sah ich durch das Mattglas der Tür, wie eine untersetzte Gestalt in den Hausflur geschlurft kam.
    Der Schlüssel wurde mindestens viermal herumgedreht. Die Tür ging auf.
    »Ja?« Vor mir stand ein etwa vierzigjähriger Mann mit nacktem Oberkörper, er trug eine schmutzige Jeans. Zu seinen Füßen lagen ein Stapel Post, Gratisblätter und Reklamebroschüren. Ein muffiger Geruch schlug mir entgegen. Ich musste mich beherrschen, um mir nicht die Nase zuzuhalten.
    »Ray?«
    Er antwortete nicht und starrte mich nach wie vor aggressiv an, dabei fiel ihm eine fettige Haarsträhne vor das Gesicht. »Sind Sie Ray Boelens?«, versuchte ich es noch einmal.
    »Der wohnt nicht mehr hier.« Der Mann machte Anstalten, die Tür zuzuknallen.
    »Wissen Sie, wo er jetzt wohnt?« Aron hatte sich inzwischen hingehockt und spielte mit den Umschlägen, die auf dem Boden lagen.

    Der Mann begann laut zu lachen, ein unangenehmes Geräusch. Bestimmt einer von den Leuten, die nur über widerliche Sachen lachen können. »Der war gut. Na, wo wird Ray Boelens schon wohnen? Versuchen Sie’s doch mal im Gefängnis. Ansonsten kommt nur noch die Hölle infrage.«
    Ich wollte etwas darauf sagen, aber der Mann schloss bereits die Tür. »Und sehen Sie zu, dass Ihr Kind die Finger von meiner Post lässt.«
    Ich nahm Aron auf den Arm und sagte »Arschloch« zu der geschlossenen Tür.
    Während wir zurück

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