Blutige Asche Roman
verstehen, dass ich jetzt nichts Falsches mehr sagen durfte.
»Ich sprach von der Cola.«
»Wir haben anschließend alle noch etwas getrunken.«
Sie war angepinkelt worden, hatte mehrere abartige Dinge erlebt und wollte die Sache dann noch gemütlich ausklingen lassen? Das kam mir komisch vor, trotzdem beschloss ich mir jede Bemerkung zu verkneifen, die das Gespräch mit van Benschop unnötig in die Länge zog. »Wir können also daraus schließen, dass Mejuffrouw de Boer nach den Dreharbeiten, den Umständen entsprechend, in einer guten Verfassung war«, fuhr ich fröhlich fort.
»Allerdings.«
»Noch etwas: Sie sagten beim Mittagessen, dass sie sich freiwillig bei Ihnen gemeldet hätte. Können Sie mir schildern, wie das genau vor sich ging?«
»Ihr Freund rief mich an. Er sagte, seine Freundin wolle sich gern was dazuverdienen.«
Ich versuchte, mir meine Irritation nicht anmerken zu lassen. »Das ist nicht dasselbe, wie wenn sich jemand freiwillig meldet.«
»Wie dem auch sei, die beiden kamen bei mir vorbei, und wir haben einen Deal gemacht.«
»Mit wem haben Sie den Deal gemacht? Mit dem Freund oder mit Mejuffrouw de Boer?«
»Sie hat natürlich unterschrieben.«
»Und wer hat verhandelt?«
»Ihr Freund.«
»Bei so einem Freund braucht man keine Feinde mehr, würde ich sagen.« Ich musste lernen, mich besser zu beherrschen.
»Wie meinen Sie das?«
»Fällt Ihnen denn gar nicht auf, wie wenig das Mädchen
selbst daran beteiligt war? Wollen Sie ernsthaft behaupten, dass Sie ihm nichts getan haben?«
»Da ist er wieder, Ihr moralischer Zeigefinger.«
Ich seufzte. »Ich appelliere nur an Ihren gesunden Menschenverstand. Noch einmal, es ist nicht meine Aufgabe, Sie zu verurteilen. Dafür gibt es Richter. Ich versuche nur, Ihnen die verschiedenen Aspekte dieses Falls klarzumachen.«
»Sie begreifen das nicht und wollen es nicht begreifen. Deshalb haben Sie mich auch nie nach meinen Motiven gefragt.«
Aron war nach wie vor in sein Spiel mit den Walen vertieft. Langsam wurde mir hier im Haus zu kalt.
Van Benschop wartete meine Reaktion gar nicht erst ab. »Das heißt vielleicht Hardcore, ist aber auch nur eine Variante des Liebesspiels. Indem man bis an seine Grenzen geht, erlebt man eine Art Ekstase. Betrachten Sie meine Filme als Hymne auf die Unterwerfung des menschlichen Körpers.«
Ich fragte mich, ob van Benshop einen Philosophiekurs an der örtlichen Volkshochschule belegt hatte. »Natürlich. Ich werde, wie gesagt, mein Bestes tun, Ihre Interessen gewissenhaft zu vertreten. Ich werde bei meiner Verteidigung sagen, dass Mejuffrouw de Boer genau wusste, worauf sie sich einließ, und einen Vertrag unterschrieben hat. Ja, dass sie sogar ihren Pass gefälscht hat, weil sie so wild darauf war, mitzumachen. Außerdem werde ich anführen, dass sie anschließend noch in geselliger Runde etwas mit Ihnen getrunken hat. Den Freund lassen wir lieber außen vor.«
»Auf was werden wir uns Ihrer Meinung nach einigen?«
»Wie schlimm ist es für Sie, den Film aus dem Handel zu nehmen?«
»Wenn bekannt wird, dass ich verklagt wurde, kann das gefährlich für mich werden.«
»In diesem Fall werden wir ihr ein hübsches Sümmchen anbieten müssen. So viel, dass sie zugreift. Aber auch nicht zuviel, denn das käme einem Schuldeingeständnis gleich.«
Aron war aus dem Planschbecken geklettert und lief nackt zur Hintertür. »Meneer van Benschop, ich leg sofort los. Ich maile Ihnen gleich morgen früh meinen Entwurf unseres Gegenvorschlags.«
18
»Du bekommst heute Besuch«, sagte Mo.
In all den Jahren, die ich im Gefängnis gesessen hatte, hatte mich meine Mutter ein paarmal besucht. Auch Margreet und Pierre waren einmal da gewesen. Jedes Jahr kamen sie im Sommer für einen Monat in die Niederlande, weil es dann in Frankreich zu heiß war. Als sie hörten, dass ich nicht mehr in der Koningin Wilhelminastraat wohnte, besuchten sie mich im Gefängnis. Obwohl Margreet sofort sagte, dass es das letzte Mal wäre, weil Pierre zu alt würde, um noch zu verreisen.
Er hatte sich verändert, der gute Pierre. Er lief langsam und musste nach wenigen Schritten stehen bleiben, um nach Luft zu ringen. Dabei waren es vom Eingang des Besucherraums bis zum Tisch mit den vier Stühlen nur zehn Schritte.
»Die vielen Jahre in der Bäckerei haben ihn kaputtgemacht«, erzählte mir Margreet. Sie sprach noch genauso laut wie früher. »Er hat auf nichts mehr Lust, stimmt’s, Piertje?«
In den zwanzig Minuten, die sie
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