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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Pauw
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herausragten.
    »Ich könnte wetten, dass das dein Bruder ist.«
    Ich schüttelte den Kopf. Wenn Ray mein Bruder war, warum hatte ihn meine Mutter dann nie erwähnt? Wo hatte sie ihn all die Jahre gelassen? Das konnte einfach nicht wahr sein.
    »Was machst du jetzt?«, fragte Bienie. »Besuchst du ihn? Er ist natürlich nicht mehr so klein, und längst nicht mehr so niedlich.«
    »Ray, mein Nachbar, das Monster«, sagte ich mehr zu mir selbst. Ich betrachtete erneut den Jungen auf dem Foto. Auf seinem Knie klebte ein großes Pflaster. »Wann ist es schiefgelaufen? Was wohl mit ihm passiert ist?«
    »Ich muss mich schwer zurückhalten, keine böse Bemerkung über deine Mutter zu machen.«
    »Das verstehe ich.« Ich starrte das Foto an, in der Hoffnung auf irgendeinen Hinweis. Aber Ray stand mit seinem Fahrrad auf einem ganz normalen Bürgersteig, im Hintergrund erkannte ich einen Heckenrosenstrauch.
    »Es ist der persönlichen Entwicklung natürlich nicht gerade förderlich, wenn man von der eigenen Mutter im Stich gelassen wird. Wie alt war er noch, als du geboren wurdest?«
    »Elf.«
    »Was meinst du, hat dein Vater von ihm gewusst?«

    »Nein«, sagte ich mit einer Bestimmtheit, die ich mir selbst nicht erklären konnte.
    »Der Junge wurde bereits als Kleinkind von deiner Mutter verlassen. Das kann gar nicht anders sein.«
    »Vielleicht war er schwer erziehbar.«
    »Ist das ein Grund, ihn zu verschweigen?«
    »Natürlich nicht.«
    »Genau das meine ich.« Bienie nahm mir das Foto von Ray aus der Hand.
    »Schau ihn dir nur an, den kleinen Hosenscheißer.«
    »Ich will ihn sehen«, sagte ich. »Wie finden wir heraus, wo er ist?«
    »Ich kümmere mich drum.«
    »Schaffst du das?«
    »Ich habe keinen Mann, kein Geld und keine anständige Wohnung. Und ehrlich gesagt auch kein Talent, ich strotze nicht gerade vor Intelligenz. Aber ich habe Beziehungen. Überlass es ruhig mir, deinen Bruder zu finden.«

16
    Ich gewöhnte mich an den Tagesablauf meiner neuen Umgebung. Um sieben Uhr morgens aufstehen, dann duschen und anziehen. Frühstück, Therapie, Mittagessen, Arbeit, Abendessen. Um acht Uhr abends erneut der Einschluss in mein Zimmer.
    Ich versuchte, mich so unsichtbar wie möglich zu machen. Die anderen Patienten jagten mir Angst ein. Sie machten Lärm, stellten Fragen, gaben mit ihren Verbrechen an. Je weniger sie sich mit mir beschäftigten, desto besser.
    Rembrandt war ein kleiner Mann, der gerade mal drei Wochen in der Klinik war. Aber irgendwie dauerte es nur wenige Tage, und die ganze Station machte, was er sagte.
    Wenn er den Raum betrat, drehten sich alle wie auf Kommando zu ihm um. » What’s up, bro? « War er nicht da, sagte man ganz normal »Wie geht’s?« oder »Hallo, du Arsch«.
    Kam Rembrandt herein, kaute er Kaugummi, eine Zigarette im Mundwinkel. Wie ein schwarzer Cowboy, der einen Saloon betritt.
    »Was für ein armseliger Scheißladen, Mann.«
    Sogar die Soziotherapeuten griffen bei ihm nicht so schnell durch. Ich sah, dass Mo ihn im Auge behielt, aber er sagte nichts.
    »Da komm ich vorhin zu so ner geilen Tussi, ne Psychiaterin. Und die fragt mich doch glatt, was ich fühle, wenn ich jemanden umleg.«

    Er ließ sich aufs Sofa fallen. Alle scharten sich um ihn bis auf Richard und mich. Richard saß auf dem Boden und redete gegen den Fernseher an, und ich stand vor dem Fenster und starrte auf die graue Ziegelmauer, während ich den anderen den Rücken zukehrte. Aber in der sich spiegelnden Scheibe bekam ich genau mit, was im Zimmer passierte.
    »Ich sag ›Süße!‹, sag ich. ›Stell dir einfach Folgendes vor: Ich leg genauso locker jemanden um, wie ich scheißen geh oder die Blumen gieße.‹«
    Die anderen Patienten begannen zu lachen.
    »Ich für meinen Teil werd so richtig geil davon«, sagte mein ehemaliger Zellengenosse. »Es gibt nichts Geileres, als jemandem die Hände um den Hals zu legen und zuzudrücken. Und dann drücken, drücken, drücken, bis man spürt, wie der ganze Körper schlaff wird.« Er machte vor, was er meinte.
    »So, jetzt reicht’s«, sagte Mo. »Hebt euch diese Geschichten lieber für den Psychiater auf.«
    »Klar, Kumpel«, sagte Rembrandt. »Du machst hier auch nur deinen Job. Genau wie ich früher. Gründlich, aber ohne Gefühle.«
    Wieder begannen die anderen zu lachen.
    Henk zufolge war Rembrandt ein Nuttenmörder gewesen. Er hatte mit allen großen Kriminellen zusammengearbeitet. »Der hat bestimmt gute Kontakte, wir müssen zusehen, dass wir in seiner Nähe

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