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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Pauw
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war es eher ein Weinen? Ich weiß nur, dass ein schrecklicher Laut aus meinem Mund drang.
    »Ganz ruhig.« Jannekes Stimme schien von ganz weither zu kommen. Sie legte ihre Hand auf meinen Arm, aber ich schlug ihn weg. Ich wollte nicht angefasst werden, und schon gar nicht von ihr.
    Der Summer ging los. Der Summer, der ertönte, wenn Leute stritten oder wenn Richard Teller in Richtung Fernseher warf. Innerhalb weniger Sekunden öffneten sich die Türen der Station, und zwei Wachleute eilten herein.
    Sie drehten mir die Hände auf den Rücken. Weil mein
Oberkörper dadurch nach vorn fiel, tropfte es aus meinen Augen auf den Tisch. Ich weinte. Das war es. Ich weinte einfach nur. Das macht man, wenn man traurig ist. Merkwürdigerweise beruhigte mich dieses Wissen. Ich hörte auf zu brüllen und schniefte nur noch.
    »Stell dich hin.« Einer der Wachleute zerrte an meinem Arm. Es tat unheimlich weh, so dass mir nichts anderes übrigblieb, als zu gehorchen.
    »Wartet mal.« Mo kam und hielt mir etwas vors Gesicht. Es war ein weißes Tuch. »Willst du dir die Nase putzen, Ray?«
    Ich nickte.
    »Lasst ihn kurz los, dann kann er sich das Gesicht abwischen.«
    Die Wachleute taten wie geheißen.
    Ich nahm das Tuch, tupfte mir die Augen und putzte mir anschließend die Nase. Mir war schwindelig, aber ich weinte nicht mehr.
    »Ich glaube, er hat sich wieder beruhigt«, sagte Mo zu den Wachleuten. »Lasst ihn hier. Ich halte es nicht für sinnvoll, ihn in die Isolierzelle zu bringen. Trotzdem danke, dass ihr gekommen seid.«
    »Mo«, sagte Janneke in einem Ton, den ich nicht recht einordnen konnte. »Was soll denn das?«
    »Wir reden nachher darüber.«
    Die Wachleute verließen die Station, und einen Moment lang war es still. Anschließend sagte Rembrandt: »Einen Applaus für Mo.« Und alle begannen zu klatschen.
    Es fühlte sich an, als würden sie auch mich ein bisschen beklatschen.

     
    Mo erlaubte mir, den Rest des Tages in meiner Zelle zu verbringen, um mich wieder zu beruhigen. Die Tür musste nicht abgeschlossen werden, wenn ich wollte, konnte ich wieder raus. Ich sah mir mehrmals die Fotos meiner Fische an und hängte sie an die Wand zu den anderen. Erst sortierte ich die Fotos alphabetisch nach den Namen der Fische, anschließend der Farbe nach.
    Während ich mir immer wieder neue Möglichkeiten ausdachte, die Fischfotos anzuordnen, verging so viel Zeit, dass ich das Abendessen einfach ausfallen ließ. Mo bot an, mir das Essen auf die Zelle bringen zu lassen, aber ich hatte keinen Hunger.
    »Morgen musst du aber wieder normal essen«, sagte Mo und ließ mich ansonsten in Ruhe.
    Eine gute Stunde später klopfte es, und der Soziotherapeut mit der Brille stand plötzlich vor meiner Zellentür.
    »Guten Abend, Ray.«
    Ich nahm hastig die Fotos von der Wand. Man konnte nie wissen, was der Soziotherapeut mit der Brille vorhatte.
    »Ich wollte dir nur sagen, dass ich Mo abgelöst habe.«
    »Gut.« Ich wartete, dass er wieder ging. Aber stattdessen betrat er meine Zelle und zog die Tür hinter sich zu. Ich umklammerte meine Bettkante, um zu verhindern, dass meine Hände wild zuckten.
    Der Soziotherapeut mit der Brille setzte sich neben mich.
    Ich rückte ein Stück von ihm ab, wobei ich die Bettkante nicht losließ. So wie damals, als ich neun war und mich bei der Ankunft in der Dwingelerheide an die Hand meiner Mutter klammerte. Schau mal Ray, eine Tischtennistafel. Du wirst es hier sehr schön haben.
    »So«, sagte der Soziotherapeut.

    »So«, sprach ich ihm nach.
    »Alles in Ordnung?«
    Ich nickte.
    »Hast du dich wieder von der Isolierzelle erholt?«
    Ich nickte erneut.
    »Komisch, dass Drogen bei dir gefunden wurden.« Der Soziotherapeut kratzte sich am Kinn. »Hast du irgendeine Idee, wie sie in dein Zimmer gekommen sein könnten?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wirklich nicht?«
    »Nein.«
    »Bist du dir da ganz sicher?«
    Ich nickte.
    »Prima.« Er stand auf, öffnete die Tür, schien es sich aber noch mal anders zu überlegen. »Und niemand hat mit dir darüber gesprochen?«
    Ich schüttelte den Kopf, während mir einfiel, dass das gar nicht stimmte. Es hatte schon jemand darüber gesprochen. Rembrandt.
    Der Soziotherapeut mit der Brille zog die Tür wieder zu. »Du wirkst nicht sehr überzeugt. Denk noch mal gut nach.«
    Ich ließ die Bettkante los, und meine Hände verloren sofort die Kontrolle. »Lass mich in Ruhe«, sagte ich.
    Der Summer ging los, zum Zeichen, dass die Zelltüren in einer Minute für die Nacht

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