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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Pauw
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verriegelt würden.
    Der Soziotherapeut kniff die Augen hinter seiner Brille zusammen. »Ich behalte dich im Auge, Boelens. Keine Tricks.« Er verließ die Zelle.
    Anders als sonst empfand ich das Einschließen diesmal als Erleichterung.

39
    Sowohl die Akte als auch das Gespräch mit Ray hatten wenig Neues ergeben. Hoffentlich rückte Ray das nächste Mal mit etwas mehr Informationen heraus, auch wenn ich mir kaum vorstellen konnte, dass er sich als gesprächig entpuppen würde. Ich musste selbst nach neuen Informationen suchen. Zuerst würde ich mit Rositas Stiefvater reden.
    Von Auke Kool war in der Akte nie die Rede gewesen. Trotzdem musste er Rosita gut gekannt haben, und er hatte, wenn auch acht Jahre danach, ein Motiv.
    Ray hatte ihn gut beschrieben. Obwohl er weit über sechzig sein musste, trug Auke Kool seine Haare hinten lang. Vorne hatte er einen kurzen Pony. Er besaß die graue, pergamentartige Haut eines Menschen, der sein Leben lang Zware Shag geraucht hat. Als ich ihn besuchte, hackte er auf seinem Grundstück gerade Holz.
    »Und? Haben Sie die große Neuigkeit erfahren?«
    Der alte Mann zuckte zusammen. Er sagte weder »ja« noch »nein«, sondern starrte mich feindselig an, die Axt nach wie vor in der Hand.
    »Soweit ich weiß, haben Sie ein hübsches Sümmchen geerbt.«
    »Was wollen Sie von mir? Wenn Sie betteln wollen, kann ich Ihnen jetzt schon sagen, dass Sie da bei mir an der falschen Adresse sind.« Die Axt flog hoch in die Luft und sauste kraftvoll
auf ein Stück Holz nieder. Splitter fielen auf meine Jacke. Ich trat einen Schritt zurück.
    »Ich bin gekommen, um über Rosita und Anna zu sprechen. Ich bin Ray Boelens Anwältin.«
    »Ray Boelens.«
    »Den kennen Sie doch?«
    »Ein guter Junge.«
    Ich spürte, wie sich meine Miene erhellte. »Ein guter Junge?«, wiederholte ich. Die ganze Zeit über hatte ich gehofft, etwas Positives über Ray zu hören, so wie eine abgewiesene Frau wider besseren Wissens neben dem Telefon sitzt und wartet. Und jetzt klingelte es endlich.
    »Allerdings. Bis er die beiden niedergestochen hat, natürlich.«
    »Klar.« Falsch verbunden. Die Mutlosigkeit hatte mich sofort wieder fest im Griff.
    Kool wohnte auf einem kleinen Bauernhof, obwohl Bruchbude die passendere Bezeichnung wäre. Das Reetdach wies Löcher auf, und die Holzfassade brauchte dringend einen neuen Anstrich. Auf dem kleinen Grundstück standen Geräte, die aussahen, als wären sie seit den Sechzigerjahren nicht mehr benutzt worden.
    Er legte ein neues Holzscheit auf den Hackblock und ließ die Axt herabsausen. Mir fiel auf, wie sauber und blank sie war, im Vergleich zu der Umgebung und dem schmuddeligen Overall Kools. Das Scheit barst in zwei Teile.
    »Sie sind einer der Ersten, der etwas Gutes über ihn zu sagen weiß.«
    Wieder schwieg er.
    »Komisch, dass Sie Ray einen ›guten Jungen‹ genannt haben«, versuchte ich es erneut.

    »Er hätte das natürlich nie tun dürfen. Aber sie hat ihn auch völlig kirre gemacht. In dieser Hinsicht war sie ganz die Mama. Die konnte einen auch wahnsinnig machen.«
    Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Aber Kool schien plötzlich Gefallen am Reden gefunden zu haben. »Verstehen Sie mich nicht falsch: Beide waren tolle Frauen. Aber auch kompliziert. Der Winter wird kalt«, fuhr er übergangslos fort. »Die können von der Erderwärmung reden, so viel sie wollen, aber meine Knochen sagen mir etwas ganz anderes.«
    »Haben Sie einen Kamin?«
    »Holzofen.«
    »Gemütlich.«
    »Das reduziert die Heizkosten, an Gemütlichkeit habe ich kein Interesse mehr.«
    »Sind Sie nach dem Tod von Rositas Mutter allein geblieben?«
    »Ja. Immer wieder. Trauer macht nicht gerade attraktiv. Am Anfang schon, da wollen dich die Frauen umsorgen und dir über den Schmerz hinweghelfen. Sie backen Apfelkuchen und schenken dir Schnaps ein. Sie wollen Stunden mit dir reden. Also erzählt man zum x-ten Mal dieselbe Geschichte und weiß schon im Voraus, wann sie anfangen werden zu flennen. Aber nach ungefähr einem Monat sollte man darüber hinweg sein. Dann muss endlich Schluss sein mit dem Gejammer und dem Verdruss. ›Es ist einfach nicht gemütlich mit dir‹, sagen sie dann. Da ist sie wieder, die Gemütlichkeit. Mir geht es am Arsch vorbei, ob es gemütlich ist!« Er spuckte aus, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Bräunlicher Rotz landete keine zehn Zentimeter von meinen Wildlederstiefeln entfernt auf dem Boden.

    »Warum hat Ray Rosita und Anna Ihrer Meinung nach

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