Blutige Erde Thriller
drängelnde Menge behauptet hatte, bestand sein vielversprechendster Fund aus einem Stapel alter Rezepte, die auf Holländisch abgefasst waren.
Er hatte das Ende der Reihe schon fast erreicht, als zu seiner Linken wütende Rufe erklangen. Ein paar Leute, deren Shoppingglück sich heute in Grenzen hielt, spitzten
die Ohren bei der Aussicht auf einen möglichen Kampf um eine kaputte Lampe oder eine undichte Autobatterie. Josh jedoch ignorierte den Lärm und setzte seine Suche fort. Einen Augenblick später deutete ein Mann, der auf der Stoßstange des Mülltransporters stand, mit dem Finger auf ihn und dann in Richtung des Geschreis.
Annika.
Panisch kämpfte er sich durch die Menschenmenge, wurde jedoch langsamer, je näher er kam. Er duckte sich leicht, um sich zu verstecken - so gut das mit seiner Hautfarbe eben möglich war. Die Menge schien ihm helfen zu wollen, denn die Leute machten ihm ohne viel Aufhebens den Weg frei, während er nach vorn drängte.
Etwa anderthalb Meter entfernt vom Rand eines großen Kreises, der sich inmitten der Menge aufgetan hatte, blieb er stehen. In der Mitte des Kreises stritt sich Annika lautstark mit einem jener zahllosen schwer bewaffneten Kinder. Der Junge war etwa fünfzehn und trug die typische Kombination aus einer zerschlissenen Uniformhose und einem schmutzigen T-Shirt mit der Aufschrift »Don’t Worry, Be Happy«. Mit dem Maschinengewehr in seinen Händen zielte er auf Annika, doch seine Worte schienen sich an die Menge zu richten. Zweifellos erklärte er gerade, dass sie von der Regierung gesucht wurde, und zählte die Anschuldigungen auf, die Mtiti sich ausgedacht hatte.
Josh schob sich vorsichtig näher heran, bis er direkt hinter dem Jungen stand, doch er war nicht sicher, was er jetzt tun sollte. Eine Sache konnte er allerdings mit Sicherheit feststellen, nämlich dass der Junge umso wütender wurde, je heftiger Annika protestierte. Er schien etwas von den Leuten um sich herum zu wollen - dass sie sie ergriffen? Dass sie sie umbrachten? Dass sie Mtiti herbeiriefen? Josh konnte es einfach nicht sagen. Bisher schienen alle damit zufrieden, einfach nur zuzusehen.
Doch das würde nicht ewig so weitergehen. Irgendwann würde die Stimmung umschlagen.
Da er einfach nicht wusste, was er sonst tun sollte, trat Josh aus der Menge hervor und ging, so ruhig er konnte, auf den Jungen zu. Alle Blicke richteten sich auf ihn, doch der Junge war so auf Annika konzentriert, dass er zunächst einmal nichts davon bemerkte. Als er sich schließlich abrupt umdrehte, war Josh kaum mehr als einen Meter von ihm entfernt.
Josh sprang nach vorn, packte den Lauf der Waffe und zerrte ihn himmelwärts, während der Junge abdrückte. Er konnte die Hitze spüren, als das Gewehr in seiner Hand zuckte und die panischen Rufe der Menschen um ihn herum übertönte.
Mit seiner freien Hand zog Josh Gideons Pistole aus seinem Hosenbund und schlug sie dem Jungen von oben auf den Kopf. Er sank zu Boden, und Josh stand mit hämmerndem Herzen und dem heißen Maschinengewehr in der Hand einfach nur da. Die Menge, die bereits begonnen hatte, sich zu zerstreuen, versammelte sich wieder, und er sah in die einzelnen Gesichter, während er sich fragte, was er tun sollte. Fast hatte er sich zu dem Entschluss durchgerungen, mit dem Maschinengewehr in die Luft zu feuern und dann zum Land Cruiser zu stürmen, als ein Mann auftauchte und auf einen Stapel NewAfrica-Dokumente zu Annikas Füßen deutete.
Was immer er auch sagte, Annikas Reaktion bestand aus einem Grinsen und einem Augenrollen. Wieder sagte er etwas, woraufhin ein lautstarker Streit zwischen ihnen ausbrach. Trotz dieser Auseinandersetzung sowie der Tatsache, dass Josh noch immer in jeder Hand eine Schusswaffe hielt und vor ihm ein bewusstloser Soldat lag, verloren die Leute um sie herum schnell das Interesse. Sie nahmen ihre Unterhaltungen wieder auf und widmeten
sich erneut ihren Einkäufen, als kämen solche Dinge jeden Tag vor.
Annika machte eine wegwerfende Geste und setzte sich in Richtung des Land Cruisers in Bewegung.
»Annika, was geht hier vor sich?«
»Er will zehn Euro.«
»Bist du verrückt. Gib sie ihm.«
»Ich werde keine zehn Euro für einen Haufen Papiere bezahlen, die niemand will.«
Josh ließ das Maschinengewehr fallen, um in seiner Tasche nach dem Geld zu fischen, doch als er es endlich fand, hatte der Mann Annika bereits eingeholt und ihr eine Hand auf die Schulter gelegt. Nach einer weiteren Diskussion, die jedoch nur wenige
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